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Möchte es allen recht machen: Lea van Acken als Maria

© Alexander Sass

Filmkritik: "Kreuzweg": Passion Maria

Eine Unbedingtheit der Darstellung: Die 14-jährige Lea van Acken spielt in „Kreuzweg“ ein Mädchen, dass die Strenge einer erzkatholischen Bruderschaft aushält. Der Wettbewerbsbeitrag wird dabei ziemlich drastig - was nicht zuletzt an den Parallelen zu einer realen Bruderschaft liegt.

Endlich Frauen. Bisher gab’s im Wettbewerb ja vor allem Männer zu sehen, Monuments Men und andere Soldaten, Kerle unter Druck, in Zwangssituationen (oder, siehe „Caligari“, Herren mit Zwangsvorstellungen), lauter überforderte, zähe Helden. Am Sonntag, dem Tag des Herrn, ist Frauentag im Berlinale-Palast, und Dietrich Brüggemann schickt mit „Kreuzweg“ ein Stoßgebet vor Lars von Triers „Nymphomaniac“ gen Kinohimmel. Erst die Gottesmanie, dann die Blasphemie.

Maria ist 14, im Firmunterricht weiß sie alle Antworten auf die Fragen von Pater Weber. Dass sie eine Soldatin Gottes ist, dass die Schlacht mit dem Satan vor allem im eigenen Herzen tobt. Ein braves, kluges Mädchen. Maria möchte sich aller Sünden entledigen, hofft sie doch, ihren kleinen Bruder Johannes erlösen zu können. Johannes spricht nicht, kein Arzt weiß, warum. Maria will reinen Herzens sein, sich ganz und gar selber opfern. Mit ihrer Sturheit steht sie den männlichen Berlinale-Helden in nichts nach.

Eine Büßerin, eine Märtyrerin in einer süddeutschen Kleinstadt. Die Familie gehört einer erzkatholischen Priesterbruderschaft an, die Mutter quält Maria mit ihrer Strenge. Die Versuchung taucht in Gestalt von Christian auf, dem Jungen aus der Parallelklasse, der Maria in seinen Kirchenchor einlädt. Dort wird neben Bach auch Gospel und Soul gesungen, satanische Musik. Maria fällt der Verzicht schwer, die Mutter reagiert drastisch.

Brüggemann („Renn, wenn du kannst“, „3 Zimmer, Küche, Bad“), der das Drehbuch wieder zusammen mit seiner Schwester Anna Brüggemann schrieb (siehe S. 11), lässt die gleiche Strenge auch den Bildern angedeihen. „Kreuzweg“, das sind 14 Einstellungen, die Titel der Kreuzwegstationen sind eingeblendet: „Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz“, „Jesus begegnet den weinenden Frauen“, „Jesus wird seiner Kleider beraubt“... 14 Tableaux, oft symmetrisch, eine meist statische Kamera, durchchoreografierte Bewegungsabläufe. Der Firmunterricht, eine Autofahrt, die Beichte, der Sportunterricht, bei dem Maria gegen die satanische Rockmusik zum Training protestiert. Später Maria im Krankenhaus, unterernährt.

In den ungeschnittenen Szenen wird das Set zur Bühne, was dem Geschehen Stringenz verleiht, hohe Konzentration. Ästhetik des Unausweichlichen: Im heiligen Krieg gibt es kein Entkommen. So hatte Brüggemann bereits in seinem Adoleszenz-Episodenfilm „Neun Szenen“ gearbeitet. Man denkt auch an die Bildkompositionen von Ulrich Seidl und dessen Fundamentalismus-Drama „Paradies: Glaube“. Man erinnert sich an „Requiem“ von Hans-Christian Schmid, auch da ging es um eine junge Frau, die zum Opfer rigider Religionsausübung wird. Und an „Jack“, den ersten deutschen Wettbewerbsbeitrag: Ähnlich wie der zehnjährige Ivo Pietzcker in „Jack“ trägt Lea von Acken als Maria den gesamten Film. Ein feines, blasses Gesicht mit züchtig gesenkten Augen, von dem doch ein sanftes Leuchten ausgeht. Eine zarte Person, die in der Kirche zusammenbricht, sich aber von ihrer Mission nicht abbringen lässt.

Bei den anderen Figuren vermisst man die Unbedingtheit der Darstellung: Florian Stetter (gestern noch Schiller in „Die geliebten Schwestern“) bleibt als Pater Weber zu jovial, zu vordergründig, als dass man ihm den Demagogen hinter der Maske der Frömmigkeit glaubt. Franziska Weisz spielt die strenge Mutter derart verkrampft, dass ihr Fanatismus kaum als pervertierte Fürsorge begreiflich wird.

Ein Film über seelischen Missbrauch, nach den jüngsten Missbrauchsskandalen und den Debatten über Religionskrieger anderer Couleur. Die Pius-Bruderschaft – der die Priesterbruderschaft im Film nachempfunden ist – hat Zulauf derzeit, sagt Brüggemann. Nur fehlt das Abgründige, das „Kreuzweg“ von einer sehenswerten Studie zu einem großen Film machen würde. Christiane Peitz

10.2., 9.30 Uhr u. 18 Uhr (FriedrichstadtPalast), 22.30 Uhr (International), 13.2., 21.30 Uhr (Thalia), 16.2. 9.30 Uhr (HdBF)

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