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Talkmasterin Katherine (Emma Thompson, rechts) hat Molly (Mindy Kaling) als Autorin eingestellt.

© eOne

Filmkomödie „Late Night“: Die Quote muss stimmen

Emma Thompson und Mindy Kaling als Sparringspartnerinnen in der TV-Satire „Late Night“. Die Komödie sprüht vor Witz, wird aber gegen Ende arg rührselig.

Fernsehen ist eine schlimme Zyniker-Branche. Besonders die private, US-amerikanische Variante. Sind deine Quoten super, bist du ein Star. Sind sie mies, bist du weg vom Bildschirm. Das ist im Kino seit Sidney Lumets böser Satire „Network“ von 1976, wo Anchorman Howard Beale der Einschaltquoten wegen vor laufenden Kameras erschossen wird, ein populäres Thema. Einen deutschen Ableger hat einst der selige Helmut Dietl geschaffen, „Late Show“ mit Thomas Gottschalk und Harald Schmidt stammt von 1999. Und auch im Fernsehen selbst sind die eigenen verderbten Sitten ein Dauerbrenner, wie bis 2013 die überaus erfolgreiche Sitcom „30 Rock“ zeigte.

Die jüngste TV-Satire „Late Night – Die Show ihres Lebens“ gleicht aber eher einer Feelgood-Komödie als einer hammerharten Zuspitzung der Zustände im ungebrochen männerdominierten Business. Drehbuchautorin, Produzentin und Hauptdarstellerin Mindy Kaling setzt bei ihrem ersten großen Kinoding mehr auf Sentiment als auf Sarkasmus. Den wiederum hat die andere Hauptdarstellerin, Emma Thompson, in der Rolle der Late-Night-Königin Katherine Newbury gepachtet. Und tatsächlich sind die trockenen Pointen, die Kaling ihrer britischen Kollegin zusammen mit der Rolle auf den Leib geschrieben hat, das Daueramüsement des kurzweiligen Films.

Der Mehltau des Ewiggleichen

Kaling, Jahrgang 1979, und Thompson, Jahrgang 1959, sind beide Humor-Pionierinnen und verfügen über reichlich Backstage-Erfahrung im TV-Medium. Die indischstämmige Mindy Kaling war die erste Frau im Autorenteam der Sitcom „The Office“, bevor sie mit „The Mindy Project“ ihre eigene Comedyserie beim US-Sender Fox bekam.

Und Emma Thompson bestritt schon in den Achtzigern eine eigene Sketchshow namens „Thompson“ im britischen Fernsehen und ist als feministische Stand-up-Komikerin aufgetreten. Beide Ladys zusammen sind ein Dreamteam, das für viele antipatriarchale Hiebe gut ist. Schade nur, dass Autorin Kaling und Regisseurin Nisha Ganatra sie im letzten Drittel von „Late Night“ in Rührseligkeit ersäufen.

Schauplatz der Komödie ist das Talkshow-Mekka New York, wo „Tonight with Katherine Newbury“ seit 30 Jahren allabendlich über die Bühne geht. Die androgyne Gastgeberin ist eine Ikone, im Regal blinken die „Emmys“, und doch stürzen die Quoten ab. Die von Emma Thompson schlicht göttlich gespielte Newbury ist ein selbstgerechter Snob. Und ihre an den Eliteunis des Landes ausgebildeten Gagschreiber sind es nicht minder. Mehltau des Ewiggleichen bedeckt den Autorenraum, den der Boss, äh, die Chefin in der Panik des Niedergangs erstmals betritt. Senderchefin Caroline Morton (Amy Ryan) will Newbury die Show wegnehmen. So ein intellektuelles Fossil wie sie will in Zeiten, wo die Leute statt fernzusehen lieber massenweise dusseligen Youtubern folgen, doch niemand mehr haben.

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Heißt: Show und Gastgeberin müssen sich ändern und da kommt Newbury eine Quotenfrau mit Migrationshintergrund gerade recht. Mindy Kalings warmherziges Alter Ego Molly Patel kommt aus Pennsylvania, ist neu in der Stadt und hat abgesehen von ihrer Fanliebe für die Late- Night-Talkerin nie was mit der Unterhaltungsbranche zu tun gehabt. Ihr vorheriger Job? Qualitätskontrolle in einem Chemiewerk. Die hochbezahlten Schreiber sind ob des Neuzugangs baff, besonders Chefautor Tom Campbell (Reid Scott) hat die Kollegin auf dem Kieker. Doch wie bei Wohlfühlkomödien üblich, liegt in seiner Ablehnung schon der Keim einer zukünftigen Romanze verborgen. Klar ist auch, dass die beinharte Chefin sich alsbald vom naiven Mumm der Newcomerin erweichen und beeindrucken lässt.

Egal wie du reingekommen bist, was zählt ist, dass du drin bist

Die Sparringspartnerinnen aus zwei Generationen erinnern stark an die Modemagazinsatire „Der Teufel trägt Prada“ mit Meryl Streep und Anne Hathaway. Zusätzlich zu den Themen Alter, Klasse und Geschlecht beackert „Late Night“ noch das der ethnischen Vielfalt. In einer großartigen Szene beschuldigt Molly Katherine, sie als reine „diversity hire“ zu betrachten, sie nur aus Geschlechts- und Hautfarbegründen eingestellt zu haben. Da antwortet die Chefin in der wegen Thompsons distinguiertem britischen Englisch unbedingt zu empfehlenden Originalfassung frank und frei: „You are a diversity hire. But the point is you’re here.“ Und sich da zu halten, wohin man es aus den womöglich falschen Gründen gebracht hat, ist in dieser Schlangengrube die größere Herausforderung. So schwer, wie man drin ist, ist man wieder draußen. Wie der Autor, der es in einer sarkastischen Szene wagt, wegen seiner Kinder nach einer Gehaltserhöhung zu fragen.

Abends telefoniert Katherine liebevoll mit ihrem kranken Mann

Über Mache und Mechanismen von TV-Unterhaltung und digitalen Wirkmustern weiß die Komödie allerdings wenig Neues zu erzählen. Auch wenn der Show-Gag der „weißen Retterin“, zu der sich Newbury der Quote wegen aufschwingt und in Einspielfilmchen verdatterten Schwarzen eifrig Taxis ranwinkt, ein erkenntnisfördernder Lacher ist.

Und doch ist der Rahmen der Glamourbranche nur wenig mehr als Kulisse für die Positionsbestimmung der alternden Showgröße und den Aufstiegskampf der jungen Deklassierten. Da hat man schon ganz andere Intrigengewitter im Autorenraum oder dem Produktionsstudio gesehen. Gerade der Insiderin Mindy Kaling hätte man mehr fernsehkritischen Wumms zugetraut. Böse gerät jedoch keiner ihrer Charaktere. Doch auch im Hollywood-typischen Menscheln gelingen Miniaturen. So wie die fein gezeichnete, zuerst nur in Feierabendtelefonaten erzählte Liebe zwischen der – na, klar – keineswegs eiskalten Katherine Newbury und ihrem kranken, der Öffentlichkeit abholden Ehemann. So liebevoll war Lakonie noch nie.

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