zum Hauptinhalt
Komponist, Schauspieler, Sprechkünstler: Michael Hirsch, 1958-2017.

© Edition Juliane Klein

Gedenkkonzert für Michael Hirsch: Fiebrig, Frostig, Zwingend

Abschied von einem großen Geist: Das Gedenkkonzert für den Komponisten Michael Hirsch in der Deutschen Oper, mit der Uraufführung von „Bastard 2“ .

Wer Michael Hirschs Klavierkomposition „Bastard 2“ spielen will, muss nicht nur mit Noten, sondern auch mit Adjektiven umgehen können. In streng alphabetischer Reihenfolge, die in lustigem Gegensatz zu den emotional aufgeladenen Wortbedeutungen steht, versieht der Komponist seine Komposition mit farbigen Spielanweisungen: von „abrupt“, „angespannt“, „aufsässig“ über „fiebrig“, „frostig“ und gar „jungfräulich“ bis hin zu einer über einen wiederholten Ton in höchster Lage notierten Folge von „zerrissen“, „zerronnen“, „zögernd“ und schließlich „zwingend“.

Spielt man das Werk so gut wie Renata Kemp bei der Uraufführung in der Tischlerei der Deutschen Oper, dann ergibt sich ein reizvoller Drahtseilakt zwischen unmittelbarem Ausdruck und spielerischer Loslösung von musikalisch-semantischen Bezügen. Leider ist es wohl eine der letzten Uraufführungen seiner Kompositionen: Im Februar 2017 starb der erst 58-jährige Komponist, Schauspieler und Sprechkünstler, während an der Deutschen Oper noch seine kurz zuvor uraufgeführte Rekomposition von Purcells „Dido and Aeneas“ auf dem Spielplan stand. Die Uraufführung von „Bastard 2“ ist Teil des Gedenkkonzerts, welches die Deutsche Oper zusammen mit Gästen wie dem Sonar Quartett und dem Ensemble „Maulwerker“, dessen Mitglied Michael Hirsch war, veranstaltete.

Entspannter Zustand von Aufmerksamkeitsstörung

Der Veranstaltungstitel „Ein schöner Hase ist meistens der Einzellne“ (er ist einem Text des schizophrenen Dichters Ernst Herbeck entnommen und Material für Hirschs Komposition „Kopfecke, Wunderhöhle“) steht passend für den milden und oft menschenfreundlich humorvollen schizophrenen Geist, der die äußerst verschiedenartig besetzten Werke des Abends gemeinsam durchweht.

Hirschs Komponieren in transparent instrumentierten Schichten, sein dramaturgisch klug inszeniertes Spiel mit Übergängen zwischen Affekt und vegetativem Impuls, Klang, Sprache und Geräusch sowie Vortrag und Performance erlaubt es, sich einem entspannten Zustand von Aufmerksamkeitsstörung hinzugeben, ohne das letzte Gefühl formaler Kohärenz zu verlieren. Abgesehen vielleicht vom wörtlich zu nehmenden Klavierstück „Zu 14 Händen“ können Hirschs Klangstrukturen jenseits der Bühnensituation für sich bestehen, sodass es sich durchaus auch lohnt, die Aufzeichnung des Konzerts am 19. Juli um 20.03 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur zu verfolgen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false