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Redjaians Arbeit „No Flag 3“ aus dem Jahr 2019 mit Fäden auf von Hand gewebtem Teppich.

© Marcus Schneider

Ausstellung in der Galerie Kajetan: Feine Unordnung

Haleh Redjaian zeigt Zeichnungen und Webteppiche in der Berliner Galerie Kajetan.

Loslassen, die Kontrolle abgeben, Halbfertiges aus anderer Hand zu Ende bringen: So etwas spielt in der Kunst immer wieder eine Rolle. Bestes Beispiel sind die seit dem Surrealismus beliebten Cadavre exquis, zu denen jeder am Werk beteiligte Künstler etwas beiträgt, ohne das Gesamte zu überblicken.

„Some Things Last A Long Time“, die aktuelle Ausstellung von Haleh Redjaian in der Galerie Kajetan, erinnert ein wenig an diese anarchische Strategie.
Die Künstlerin, 1971 in Frankfurt geboren, gibt von ihrem Berliner Atelier aus kleine Webteppiche im Südiran in Auftrag.

Einige sind monochrom weiß bis gräulich. Andere weisen im Stoff bereits Muster von Aquarellen auf, die Redjaian zuvor anfertigt und mitschickt.

Schon hier beginnt die von ihr bewusst provozierte Störung: Die Technik des Webens verändert alle vorgegebenen Raster – teils so stark, dass auch die Künstlerin nicht weiß, was nach Berlin zurückkommt. Und wann überhaupt die stofflichen Arbeiten aus dem Iran ihre Reisen antreten können.

Linien, Rhomben, Ornamente

Manche Dinge brauchen Zeit: Der Titel der sparsamen und dennoch raumfüllenden Installation in der Galerie Kajetan, zu der auch eine dreidimensionale Fadenarbeit gehört, ist programmatisch zu verstehen.

Redjaian übt sich in Geduld, bevor sie sich die Teppiche vornimmt und ihrerseits wieder interpretiert. Mit tiefroten Fäden, die sich erhaben über den Stoff spannen, oder mit lithografischen Abdrücken, die an farbige Stempel erinnern. Geduld brauchte sie aber auch schon zuvor, um die Formen zu Papier zu bringen. Raster sind ihr Thema, das Wiederkehrende, Serielle. Wo man hinschaut, begegnen einem Linien, Rhomben oder aus einfachen geometrischen Figuren komponierte Ornamente.

Das Raster genießt in der Kunst seit den sechziger Jahren eine herausgehobene Position, mit seiner Hilfe arbeiteten Künstler wie Donald Judd oder Sol Lewitt an minimalistischen Werken, hinter denen das Individuelle vollständig verschwinden sollte.

Die einflussreiche amerikanische Kunsttheoretikerin Rosalind Krauss schrieb 1979 mit „Grids“ das passende Manifest dazu.

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Austausch zwischen den Kulturen

Haleh Redjaian entstammt nicht bloß einer anderen Generation. Aus der zeitlichen Distanz wird außerdem klar, dass diese Idee einer kompletten Ausradierung künstlerischen Eigensinns durchaus totalitäre Züge besitzen kann: Für das Unklare, Unzulängliche war im Minimalismus kein Platz. Wenn die Künstlerin für Arbeiten wie „The missing piece“ (5800 Euro), „Mark“ (4300 Euro) oder „No Flag 4“ (4000 Euro) nun diverse Raster bemüht, fallen bei ihr vor allem die Abweichungen auf. Sie sind minimal, provozieren im Kontext von Strenge und Geometrie allerdings den Eindruck ewiger Vergeblichkeit.

[Galerie Kajetan, Gneisenaustr. 33; bis 8. Februar., Mi–Fr 14–19 Uhr, Sa 12–16 Uhr]

Ein Dialog voller Spannung – und Aufrichtigkeit. Denn weder die ästhetische Überformung der eigenen Wahrnehmung noch der Austausch zwischen den Kulturen, wie Haleh Redjaian ihn betreibt, gestaltet sich linear. Irritation ist ein Teil all dieser Prozesse. Und die Künstlerin bringt diesen Fakt der feinen Unordnung der Verhältnisse selten poetisch auf den Punkt.

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