zum Hauptinhalt
Ein kleiner Park an der Dahlemer Taylorstraße ist die neue Adresse der Galerie Bastian.

© John Pawson Ltd | Courtesy BASTIAN

Familien Bastian baut ein Galeriehaus: Die neue Bescheidenheit

Präsenz als Zeichen der Zuversicht: Galerist Aeneas Bastian über die Folgen des Brexit für seine Londoner Galerie und das künftige Ausstellungshaus der Familie Bastian in Berlin.

Als der Sammler Heiner Bastian 2007 zusammen mit seiner Frau Céline und Sohn Aeneas direkt an der Museumsinsel ein Galeriehaus bauen ließ und mit einer Ausstellung des britischen Künstler Damien Hirst eröffnete, schien Berlin im internationalen Kunsthandel etabliert. Anfang 2019 zog die Galerie jedoch nach London, das Haus wurde geschlossen und den Staatlichen Museen geschenkt. Nun überrascht Aeneas Bastian mit der Ankündigung einer neuen, von Star-Architekt John Pawson geplanten Repräsentanz für Berlin.

Herr Bastian, Sie bauen gerade ein zweites Galerie- und Ausstellungshaus in der Hauptstadt. Fehlen Ihnen die ehemaligen Räume an der Museumsinsel, die die Familie Bastian 2019 den Staatlichen Museen geschenkt hat?

Ich glaube, der Galerie fehlt nichts, auch nicht unsere früheren Ausstellungsräume am Kupfergraben. Und ich bin sehr glücklich darüber, dass es durch die Schenkung inzwischen ein Bildungszentrum der Staatlichen Museen direkt an der Museumsinsel gibt.

Ihre Aktivitäten als Galerist hatten Sie schon davor nach London verlagert. Heißt das, die Galerie Bastian, die Kunst etwa von Andy Warhol, Wim Wenders oder Ulrich Erben zeigt, kehrt nach Berlin zurück?

Ich habe die Stadt nie verlassen. Bis zum Ausbruch der Pandemie bin ich zwischen Berlin und London gependelt. Es ist eher eine Rückkehr in die deutsche Öffentlichkeit, denn seit 2019 habe ich auch in Berlin in einem Büro, mit einem privaten Showroom und Veranstaltungen im kleinen Kreis weitergearbeitet. Meine Frau Harriet hat in dieser Zeit eine Zeitschrift für die Galerie entwickelt, die auf großes Interesse gestoßen ist. Eine öffentliche Präsenz in Berlin ist, denke ich, auch ein Zeichen der Zuversicht.

Wie gehen Sie mit dem Brexit um? Was ändert sich nun für den Handel mit Kunst in Großbritannien?

Aeneas Bastian
Aeneas Bastian

© Christoph Petras | Bastian

Zunächst bin ich sehr erleichtert, weil quasi im letzten Augenblick ein Brexit-Abkommen zustande gekommen ist. Der europäische Kunstmarkt behält klare Rahmenbedingungen. Ein Austritt ohne Vertrag hätte Großbritannien isoliert und den britischen Handel geschwächt. Das Land verlässt zwar die EU, bleibt aber im europäischen Binnenmarkt, es ändert sich also weniger als oft befürchtet.

Was bedeutet das konkret für Ihre Londoner Galerie?

Auch nach dem Brexit wird England kein Drittland, aus dem Kunstwerke nur durch Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer nach Deutschland importiert werden können. Es wird keine Zölle oder Einfuhrabgaben geben. Allerdings die Transporte aufgrund von Ausfuhrkontrollen aufwändiger und langsamer. Ein großer, schmerzhafter Einschnitt mit entsprechenden rechtlichen und steuerlichen Folgen bleibt aus, doch der Austausch wird komplizierter: Ein Bild nach London wird wegen der Zollabfertigung länger dauern als bisher, und Sammler werden sich von dem Gedanken verabschieden müssen, ein in London gekauftes Bild innerhalb weniger Tage in Deutschland zu haben.

Welche Unterschiede stellen Sie beim Thema Kunstmarkt zwischen London und Berlin fest? Sie und Ihre Frau eröffneten schon im Jahr 2000 die Galerie Upstairs, bevor Sie 2016 die Galerie Bastian Ihrer Eltern übernahmen.

Der größte Unterschied zwischen den beiden Städten liegt darin, dass London ein großes Angebot alter Kunst hat. Auch das 19. Jahrhundert, der Impressionismus und die klassische Moderne sind stark verteten, dazu kommt die außereuropäische Kunst. Der Berliner Kunstmarkt ist fast ausschließlich ein Markt für Gegenwartskunst, alle übrigen großen Sammelgebiete fehlen schlichtweg. Das ist der Grund für die Zuspitzung, die ich seit vielen Jahren beobachte: Für Sammler alter Kunst gibt es keinen Grund, nach Berlin zu reisen.

Was spricht für Berlin?

Interessant ist der Markt für Sammler zeitgenössischer Kunst. London ist dagegen ein wirklich globaler Handelsplatz, der als Brückenkopf in die USA und nach Asien funktioniert, ein unschätzbarer Vorteil gegenüber Berlin, das sich als Markplatz vor allem zwischen seinen europäischen Nachbarn im Westen und im Osten bewegt. Im Moment allerdings ist diese historische Stärke Londons durch Corona nicht zu spüren.

Ihr erstes Galeriehaus stand im Zentrum Berlins. Mit dem künftigen Bau gehen Sie an die Peripherie im gut situierten Dahlem – weshalb?

Ich bin in Zehlendorf aufgewachsen und lebe schon lange mit meiner Frau und unseren Töchtern in Dahlem. Hier lenkt nichts von der Kunst ab, das pulsierende urbane Leben scheint weit weg, Besucher finden ein anderes Gleichgewicht zwischen Natur und Kultur als mitten in der Stadt. Die Peripherie bietet die Möglichkeit, sich in Ruhe auf die Kunstwerke einer Ausstellung einzulassen. Wichtig ist außerdem, dass wir gut zu erreichen sind: Vom U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim geht man nur fünf Minuten zu Fuß.

Wie schon beim Haus am Kupfergraben wurde ein britischer Architekt mit dem Entwurf betraut. Diesmal allerdings nicht David Chipperfield, sondern John Pawson, der in Berlin 2016 einen ehemaligen Telekommunikationsbunker für die Feuerle Collection umgebaut hat. Weshalb der Wechsel?

Vielleicht ist Zusammenarbeit mit Londoner Architekten kein Zufall. Ich finde, ihr Vorteil liegt im unvoreingenommenen Blick auf Berliner Orte und Bauplätze, gewissermaßen aus der Distanz von außen. Zu David Chipperfield gibt es eine freundschaftliche Verbindung, die bleibt, auch wenn er jetzt nicht für mich bauen wird. Er hat mir geschrieben, wie dankbar er dafür ist, dass das Haus am Kupfergraben, das er für meine Eltern entworfen hat, jetzt eine besondere, übergeordnete Funktion hat. John Pawson ist ein Architekt, dessen Arbeit ich schon lange verfolge und bewundere, besonders seine kompromisslose Reduktion; dass es ihm gelingt, in seinen Entwürfen Überflüssiges wegzulassen, bis einfache, schöne Grundformen übrig bleiben, denen nichts hinzuzufügen ist.

Pawson realisiert für Sie nun einen eingeschossigen Pavillon. Das frühere Galeriehaus verfügte über drei Etagen und war ein sehr repräsentativer Ort. Was sagt diese neue Bescheidenheit?

Mit dem Wort Bescheidenheit bin ich einverstanden, wenn Sie damit meinen, auf etwas Repräsentatives oder Opulentes zu verzichten. Es geht mir jedenfalls auch um eine Konzentration auf das Wesentliche. Einen Ausstellungsraum zu haben, erscheint mir angemessen, weil ich künftig jeweils nur eine Ausstellung zeigen möchte und nicht mehrere Einzel- und Gruppenausstellungen parallel.

Für wann planen Sie die Eröffnung? Und was soll an diesem Ort passieren?

Ende 2021 werden wir eröffnen. Neben den Ausstellungen wird es ein Veranstaltungsprogramm geben, also Vorträge, Diskussionsrunden, Lesungen und auch Konzerte. Alle Veranstaltungen werden öffentlich und kostenlos sein.

Kein Eintritt für Konzerte oder Lesungen: Ist das in Dahlem wirklich nötig?

Ja, weil ich nicht nur an die Nachbarn in Dahlem denke, sondern an die ganze Stadt. Viele Menschen müssen sich in dieser Zeit einschränken, in der Kunstwelt sind durch die Pandemie manche in ernste Schwierigkeiten geraten. Da möchte ich nicht sagen, ich lade zu einem Filmabend mit Wim Wenders ein, verlange dann aber Eintritt, den einige Besucher nicht aufbringen könnten. Dass das Haus allen offensteht, dass es keine Barrieren oder Bedingungen geben soll, ist ein Prinzip.

Die Galerie als Umschlagplatz kultureller anstelle finanzieller Werte?

Die Galerie ist für mich ein Haus für alle Kunstinteressierten, woher auch immer sie kommen. Das sehe ich als Verpflichtung: die Galerie keineswegs nur als Wirtschaftsunternehmen zu betrachten. Wenn ich morgens aufstehe, denke ich über Kunstwerke nach, mal über ein Bild von Robert Rauschenberg, mal über eine Arbeit von Emma Stibbon. Diese Kunstbegeisterung möchte ich in der Galerie teilen. Wenn ich eine Zeichnung oder eine Keramik von Pablo Picasso verkaufe, freue ich mich am Dialog mit dem Sammler. Wenn es allerdings nur um den Verkauf ginge, könnte ich mich nicht an der Galeriearbeit erfreuen.

Glauben Sie, dass auch das Publikum aus Mitte oder Kreuzberg den Weg hierhin finden wird?

Davon bin ich überzeugt. Besucher werden zu uns finden, um neue Bilder von Anselm Kiefer oder Zeichnungen von Andy Warhol zu sehen. Zudem bleibt Zehlendorf neben seiner Rolle als Wissenschaftsstandort auch ein Museumsstandort. Ich bin mir sicher, dass kleinere Häuser in unserer Nähe mit sehr guten Sammlungen und interessanten Ausstellungsprogrammen wie das Brücke Museum und das Kunsthaus Dahlem in Zukunft mehr Besucher haben werden. Die Galerie kann auch als Ergänzung dieses musealen Angebots verstanden werden, das ich wirklich attraktiv finde.

Wo sehen Sie Berlins Rolle im Kunstmarkt der kommenden Jahre?

Berlin wird sich auf dem internationalen Kunstmarkt behaupten, weil es die Stadt der Künstler ist. Auch in Zukunft werden junge, aufstrebende und etablierte Künstlerinnen und Künstler nach Berlin kommen – ihre neuesten Arbeiten werden vielfach zuerst in Berliner Galerien von Sammlern zu entdecken sein.

Die Fragen stellte Christiane Meixner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false