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Altersmilde. Mary (Dianne Wiest) hat es nicht leicht mit Schwerenöter Earl (Clint Eastwood).

© Universal

Clint Eastwood spielt „The Mule“: Es hat sich ausgeknurrt

Vom Blumenhändler zum altersweisen Drogenkurier: Clint Eastwood steht in „The Mule“ nach zehn Jahren noch einmal als amerikanischer Archetyp vor der Kamera.

Von Andreas Busche

Vor einigen Jahren redete Clint Eastwood mit einem Stuhl. Das bizarre Schauspiel, das einen eigenen Wikipedia-Eintrag hat, fand 2012 auf dem Parteitag der Republikaner statt. Der Vorwahlkampf für die Präsidentschaftswahl hatte begonnen und der Hollywood-Veteran verschaffte seinem Unmut Luft über den Weg, den sein Land eingeschlagen hatte. Adressat des deliranten Wortbeitrags war Barack Obama, den er als Schuldigen der Misere ausgemacht hatte. Die Performance gehört rückblickend nicht zu den Höhepunkten in Eastwoods Schauspielkarriere, die dieser inoffiziell eigentlich schon für beendet erklärt hatte.

2008 war Eastwood am Ende von „Gran Torino“ gestorben. Die Altersrolle als rassistischer Held der Arbeiterklasse Walt Kowalski, der einen jungen Vietnamesen und dessen Familie vor einer Gang beschützt, war die altersmilde Bilanz des notorisch konservativen Knochens, dessen beste Dialogzeilen nur noch aus einem gutturalen Knurren bestanden. Und ein Clint Eastwood stirbt nur einmal auf der Leinwand, darum sahen viele „Gran Torino“ auch als würdiges Requiem eines Archetyps. Das Amerika, in dem Walt Kowalski lebte, war nicht mehr das Amerika Clint Eastwoods. Mit der Autoindustrie geht es den Bach runter, weiße Amerikaner werden schon bald eine Minderheit im eigenen Land darstellen und die Jugend hat keine Werte mehr.

Eastwood unterstützte den Präsidentschaftskandidaten Trump

Eastwoods Konservatismus, der sich seit seinen Rollen als „Fremder ohne Namen“ in Sergio Leones Italo-Western und „Dirty Harry“ durch dessen gesamte Karriere zog, ist nicht in erster Linie ein politischer, sondern einer der weltanschaulichen Überzeugung. Dass er vor zwei Jahren Donald Trump unterstützte, passt insofern in dieses Weltbild eines unverrückbaren Individualismus. Auch Eastwood lag gerne quer zum Zeitgeist, in seiner Funktion als Bürgermeister der kalifornischen High-Society-Enklave Carmel und als Repräsentant des konservativen Hollywood. Als die jungen Wilden in den Siebzigern das amerikanische Kino revolutionierten, machte der Law-and-Order-Cop Harry Callahan mit seiner 44er Magnum Jagd auf langhaarige punks.

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Dass Clint Eastwood zehn Jahre nach seinem Leinwandtod in „The Mule“ noch einmal vor der Kamera zu sehen ist, könnte man angesichts von Trumps Wahlsieg auch als stillen Triumphzug verstehen. Eastwood hat sich in seinen letzten Regiearbeiten auf verbürgte amerikanische Heldengeschichten verlegt: den Scharfschützen Chris Kyle in „American Sniper“, den Piloten Chesley Sullenberger, der eine Passagiermaschine auf dem Hudson River notlandete, und die drei Männer, die 2015 auf einer Paris-Reise einen Selbstmordattentäter in einem voll besetzten Zug überwältigten. Zu Trump hat sich Eastwood seit gut zwei Jahren nicht mehr geäußert, „The Mule“ legt nun zumindest nahe, dass sein Weltbild etwas nuancierter ausfällt als das seines Präsidenten.

Earl transportiert in seinem klapprigen Truck Drogen

Earl Stone ist die domestizierte Version des zehn Jahre jüngeren Walt Kowalski. Mit der Familie hat es der alte Schwerenöter nicht so. Seine Frau Mary (Dianne Wiest) verließ ihn vor einem halben Leben, auch die Hochzeit seiner Tochter Iris (Eastwoods Tochter Alison) verpasst er. Dafür hat er einen grünen Daumen – und Schlag bei den Ladies. Leider laufen die Geschäfte nicht, er muss mit seinem Blumenhandel Konkurs anmelden. Auf einer Familienfeier unterbreitet ein mexikanischer Bekannter seiner Enkelin (Taissa Farmiga) dem klammen Pensionär ein lukratives Angebot: Earl soll mit seinem klapprigen Truck etwas nach Chicago befördern. 

Dass er als Drogenkurier für das Kartell benutzt wird, kapiert Earl schnell. Aber das Geld ist zu gut: Jahrzehnte zu spät zwar, kann er endlich Verantwortung für seine entnervte Familie übernehmen. Drogenfahnder Colin Bates (Bradley Cooper) ist dem mysteriösen mule, der immer größere Drogenladungen durch die USA kutschiert, schon auf der Spur. Aber den 88-jährigen Earl hat niemand auf der Rechnung.

Die altersmilde Ironie steht dem Hollywood-Veteran

Eastwood steht die altersweise Ironie besser zu Gesicht als das Image des wütenden alten Mannes. Er kokettiert in „The Mule“  mit seiner Rolle als Dinosaurier: Earl findet sogar Gefallen an diesen neumodischen Smartphones, die mit jeder Drogenlieferung einen Generationen-Upgrade erhalten. Dafür foltert er auf Kurierfahrten seine mexikanischen Partner mit Dean Martin. Dass Eastwood sich in seiner vermutlich finalen Filmrolle mit den bad hombres von der anderen Seite der geplanten Grenzmauer gemein macht, zeugt von großer Souveränität.

„The Mule“, der auf einer Reportage in der „New York Times“ basiert, ist die Gegenerzählung zum überstrapazierten Kinoplot der Rentnergang, die einen allerletzten Bruch macht. Eastwood erledigt auch seinen letzten Job im Kino im Alleingang, doch er fährt dem Horizont nicht als einsamer Wolf entgegen. Geläutert harrt er am Krankenbett seiner Ex-Frau aus, eine wunderbare Rolle für Dianne Wiest. Im Kofferraum warten 100 Kilo Heroin auf ihre Bestimmung.

Im CinemaxX Potsdamer Platz, Filmkunst 66, UCI Luxe, OV: Cinestar Sony Center, OmU: Kulturbrauerei

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