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© Eren Aytuğ Nar / Maxim Gorki Theater

© Eren Aytug Nar / Maxim Gorki Theater

Erdoǧans Schatten: Maxim Gorki Theater erinnert an die Proteste im Gezi-Park

Das Gorki schaut mit Filmen, Theater und Talks auf die Erfahrungen nach den Gezi-Protesten in der Türkei 2013. Mit dabei: Menschen, die unter Erdoǧan im Gefängnis saßen.

Am Gorki Theater haben sie es schon geahnt. In der Einladung zur Pressekonferenz hieß es in der vergangenen Woche, sie finde „zwei Tage nach den nicht nur für die Türkei so schicksalhaften Wahlen und vielleicht sogar im Vorfeld von Stichwahlen statt“. Genau so ist es gekommen. Und natürlich fällt Erdoǧans Schatten jetzt auf diese Zusammenkunft, bei der ein Festival mit dem Titel „Gezi – Ten Years After“ vorgestellt wird.

Zumal mit Zehra Doǧan, Can Dündar und Peter Steudtner drei Menschen auf dem Podium sitzen, die eins gemeinsam haben: sie saßen unter dem amtierenden türkischen Präsidenten alle schon im Gefängnis. Gleiches gilt für Aslı Erdoǧan und Deniz Yücel, die nicht anwesend sein können, aber ebenfalls Teil des fünfköpfigen „Advisory Boards“ dieses Festivals sind.

Hoffnung auf Frühling

„Gezi – Ten Years After“ ist angedockt an den 6. Berliner Herbstsalon des Gorki Theaters, überschrieben als „Prolog im Frühling“. Intendantin Shermin Langhoff – die das Festival zusammen Co-Kurator Erden Kosova verantwortet – sagt mit Blick auf aktuelle Situation in der Türkei: „Frühling haben wir uns in mehrfacher Hinsicht gewünscht. Gekommen ist er nicht wirklich.“

Die Gezi-Proteste selbst waren 2013 ein Moment des Aufbruchs und Erwachens. Vordergründig ging es Bäume, die für ein umstrittenes Bauprojekt der Regierung gefällt werden sollten. Am 28. Mai begannen in Istanbul die Demonstrationen auf dem Gelände des Gezi-Parks, der unmittelbar an den Taksim-Platz angrenzt.

Nach einem gewaltsamen Polizeieinsatz ein paar Tage später loderten in mehreren türkischen Großstädten Proteste gegen die autoritäre Politik der regierenden AKP auf. Im Gezi-Park entstand ein Camp aus Zelten, unter dem Slogan „Occupy Gezi“ wurde auch der Taksim-Platz besetzt. Bis zur gewaltsamen Räumung durch die Polizei vergingen es gut zwei Wochen.   

Ein Land mit zwei Gesichtern 

Das Besondere, das in Erinnerungen von Zeitzeug:innen und auch auf der Pressekonferenz im neu eingerichteten „GEZI-Café“ neben dem Gorki-Kiosk von Beteiligten beschrieben wird: Während der kurzen Zeitspanne der Proteste verwirklichte sich eine demokratische Utopie. Es kam zu Schulterschlüssen zwischen Menschen, die gewöhnlich nicht viel miteinander zu tun haben: Arbeiter:innen mit Intellektuellen, Fußball-Ultras (von Fenerbahҫe und Beşiktaş) mit trans Personen, gemäßigte Muslim:innen mit Kemalist:innen, Kurd:innen mit Türk:innen. Ein echtes Miteinander in Vielfalt.

„Die Türkei hat zwei Gesichter“, sagt der Publizist Can Dündar auf der Pressekonferenz. Ein repressives, rückständiges, hasserfülltes. Das Erdoǧan-Gesicht. Aber eben auch ein friedliches, weltoffenes, Freiheit und Demokratie zugewandtes. Gezi, sagt Dündar, stand für Letzteres. Was ihm Hoffnung gibt: „50 Prozent der Menschen leisten noch Widerstand“.

Goodbye Erdoǧan

Das Festival – das zwei Tage vor der Stichwahl eröffnet wird – zeigt nun einen Monat lang über 60 Sonderveranstaltungen, auf die Beine gestellt von 17 Programm-Macher:innen. Es gibt eine „Library of Resistance“ (von Nil Mutluer & Murat Özbank kuratiert), die Filmreihe „Gezinema“, die Şirin Fulya Erensoy und Necati Sönmez betreuen, das „Resisting Radio“ von Zehra Doǧan, eine Mischung aus Sound-Installationen und Talk-Format, ein Queer-Weekend, das Anthony Hüseyin und Yunus Ersoy gestalten, dazu Konzerte, Panels – und natürlich Performances. Darunter ein Solo von Betal Özay mit dem programmatischen Titel „Goodbye Erdoǧan“.

„Gezi“, schreibt Shermin Langhoff im Vorwort der Festival-Zeitung, sei nicht als Plattform eines naiven Optimismus gedacht. Wohl aber zur Erforschung der Frage, „was wir aus den Erfahrungen der Vergangenheit immer noch für die Gestaltung einer besseren Zukunft mitnehmen können“.

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