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Bianca beobachtet ihre Welt ganz genau und macht sich so ihre Gedanken.

© Illustration: Jang Myeong Uk

Kinderbuch von Bart Moeyaert: Entweder oder

Bart Moeyaert erzählt von einem Mädchen, das sich endlich etwas traut und aus dem Schatten des kleinen Bruders tritt.

"Du weißt doch, dass du ein Mädchen mit Gebrauchsanweisung bist, und darauf nehme ich Rücksicht“, sagt die Mutter lapidar zu ihrer zwölfjährigen Tochter. Zuvor hatte sie dem Mädchen verkündet, dass ihr Vater und dessen neue Freundin Cruz sie nur noch alle zwei Wochen oder noch besser alle drei Wochen sehen wollen, weil sie finden, dass Bianca „schwer zu händeln“ ist. Bianca verletzt diese Mitteilung, denn sie hat es auch bei der Mutter nicht leicht. Sie fühlt sich zurückgesetzt gegenüber ihrem kleineren Bruder Alan. Er ist krank, wurde mehrfach operiert und hat nur ein halbes Herz. Um ihn kreisen die Gedanken und Sorgen der Mutter.

Bianca ist ein stilles Mädchen, das sich zurückgesetzt fühlt, seine Umgebung aber messerscharf analysiert.

© Illustration: Jang Myeong Uk

Bart Moeyaert erzählt in dem Roman „Bianca“ einen Nachmittag aus ihrem Leben. Bianca beobachtet genau. Sie ist still, fügt sich immer und akzeptiert scheinbar, dass anderes wichtiger ist. Moeyaert erzählt konsequent aus der Sicht von Bianca in 60 kurzen, zum Teil sehr kurzen Kapiteln. Ständig reflektiert Bianca das Geschehen. Sie hält nichts davon, dass ihr Vater und „seine Cruz“ sie weniger oft sehen wollen. „Zuerst entscheiden sie ohne mich und dann werde ich gefragt, ob ich die Entscheidung gut finde“, denkt Bianca. Ihr ist alles zu viel in diesem Haushalt. „Ich habe keine Lust auf meinen Bruder, der sich aufführt wie ein ausgehungertes Tier, das über sein Essen herfallen will, um dann ein paarmal im Fleisch herumzustochern und am Ende um ein Butterbrot zu betteln – und es dann auch noch bekommt.“

"Ich bin viel rasender, als sie denkt"

Bianca weicht dem Streit aus und zieht sich lieber in ein geheimes Versteck an der Grenze zum Nachbargrundstück zurück. Ihre Mutter glaubt, das Mädchen zu verstehen, sie sei früher auch so gewesen. Bianca sieht das anders: „Ich bin viel rasender, als sie denkt, aber mit einem Unterschied: Ich mache fast keinen Krach.“

[Bart Moeyaert: Bianca. Aus dem Niederländischen von Bettina Bach. Carl Hanser Verlag, München 2020. 144 Seiten. 14 €. Ab elf Jahren]

Es geschieht nicht viel in diesem Roman. Der Leser wird Zeuge der Sprachlosigkeit zwischen Mutter und Tochter, eine ungute Spannung baut sich auf. Man möchte Bianca ab und zu in den Arm nehmen oder ihr einen Schubs geben: Nun sag doch was, aber sie denkt es sich nur. Bewegung kommt in den Nachmittag, als Billie King mit ihrem Sohn Jazz zu Besuch kommt. Billie King ist der Star der Fernsehsoap „Hier bei uns“, die Bianca gerne schaut. Die Begegnung mit Billie öffnet Bianca die Augen. Billie hört ihr wirklich zu, sie spricht mit ihr, nimmt sie als Mensch ernst.

Bianca lernt, ohne viel Aufhebens, sich selbst zu behaupten, ihre Interessen durchzusetzen. Sie lernt von ihr, dass es keine halben Entscheidungen gibt. Also entweder oder. Eine wichtige Erkenntnis für Bianca, die daraus ihre Schlüsse zieht. Bart Moeyaert ist bekannt für leise Töne, ein sensibler Autor, der seinen Figuren Statur verleiht und Mut macht, den eigenen Weg zu gehen.

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