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Elisabeth Iwanowna Epstein (1879–1956), Selbstporträt, 1911, Öl auf Pappe, 67,7 cm x 52 cm. Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, im Andenken an Jerome Pustilnik, New York City.

© Foto: Lenbachhaus, © Rechtsnachfolge der Künstlerin

Elisabeth Iwanowna Epstein: Selbstportrait, 1911

Die Selbstdarstellung der Moskauer Wahlmüncherin gehört zum Bestand des Münchner Lenbachhauses.

Von Oksana Oliinyk

Sich nicht im besten Licht zu zeigen, sorgt in Selbstporträts oft für die interessantesten Effekte. Elisabeth Epsteins Selbstdarstellung imponiert in ihrer schonungslosen Schmucklosigkeit und frappiert durch ihre ungewöhnliche, von nah und fern gleichermaßen wirkungsvolle Farbwahl. Ihr wachsamer Blick ist auf die Betrachtenden gerichtet – eher entschlossen als selbstbewusst. Sie gibt sich zurückhaltend, ihre schützende rechte Hand verstärkt diesen Eindruck. Trotzdem schafft dieses Selbstporträt eine unglaubliche Nähe, lädt ein, sich mit der Malerin als Person zu beschäftigen.

Als Epstein dieses Bild malte, war sie 32, erst vor kurzem nach Paris gezogen, um ihr in Moskau und München begonnenes Studium der Malerei fortzusetzen. Sie lebte in Scheidung, ihr kleiner Sohn war bei seinem Vater in München geblieben. Ihr wohlhabendes Elternhaus – Epstein war als Elisabeth Hefter in Schytomyr, Ukraine geboren, die Familie inzwischen nach Moskau übergesiedelt – ermöglichte es ihr, ihre künstlerische Laufbahn weiterzuverfolgen. Sie verkehrte in Bohème-Kreisen, knüpfte Kontakte in verschiedenen Kunstszenen und beteiligte sich an literarischen, esoterischen und kunsttheoretischen Diskussionen. Dies belegen auch ihre langjährigen Korrespondenzen mit Gabriele Münter und Alexej von Jawlensky. Sie stellte Kontakte her, die für die Kunstgeschichte entscheidend waren – etwa zwischen Robert Delaunay und Wassily Kandinsky. Als eine der wenigen Frauen zeigte sie mehrere Gemälde auf der 1. Blauer Reiter-Ausstellung in München im Winter 1911/1912. Dieses Selbstporträt aus der Sammlung des Lenbachhauses, erworben 2019 von einem privaten Sammler aus New York, ist Zeugnis ihrer bisher wenig beachteten Rolle innerhalb dieses Künstler*innenkreises. Elisabeth Epsteins privates und künstlerisches Leben birgt noch viele offene Fragen und Geheimnisse. So zeigt dieses Bild – auch wenn es sehr intim wirkt –, dass sie nicht leicht zu fassen war. Es gibt noch andere Selbstporträts sowie Porträts, die Jawlensky, August Macke und Christian Schad von ihr malten. Aber ein jedes scheint eine völlig andere Person abzubilden. Als Forscherin am Lenbachhaus versuche ich, Epsteins Biografie und ihre Rolle als Vermittlerin zu rekonstruieren – etwas, das mit dem Begriff „Umfeld“ völlig unzureichend beschrieben wäre.

Oksana Oliinyk, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lenbachhaus im Rahmen der UKRAINE-Förderlinie der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Hermann Reemtsma Stiftung.

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