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Kultur: Eisiger Glanz Marc-André Hamelin eröffnet das Klavierfestival

Als eine von mehreren Zugaben spielt der kanadische Pianist Marc-André Hamelin beim Auftakt zum zweiten Berliner Klavierfestival Chopins „Minutenwalzer“. Der ausverkaufte Saal im Konzerthaus jubelt Hamelin fast ungläubig zu.

Als eine von mehreren Zugaben spielt der kanadische Pianist Marc-André Hamelin beim Auftakt zum zweiten Berliner Klavierfestival Chopins „Minutenwalzer“. Der ausverkaufte Saal im Konzerthaus jubelt Hamelin fast ungläubig zu. Denn natürlich spielt dieser nicht einfach den „Minutenwalzer“ mit seinen niedlichen Trillern und Läufen. Stattdessen fängt Hamelin irgendwann an, die Läufe mit Zusatztönen auszupolstern und den Walzer zu verhackstücken, fast so, wie er im Hauptprogramm bei seinen eigenen Variationen über Paganinis 24. Caprice von Anfang an mit der Maurerkelle auf das Thema eingepatscht hatte – ein Klanggeröll aus dicht gepackten Akkorden, erdrutschartigen Läufen, Anflügen von Ragtime, einer Spur „Campanella“, auch Beethovens Fünfte flackerte auf. Kurz, Hamelin zeigte mit seiner eigenen Musik, was möglich ist, wenn man auf eine fast outrierte Weise virtuos ist, aber nicht gleich ein Avantgarde-Komponist sein will: beißt nicht, möchte nur spielen.

Fast zieht man nun auch bei Mozarts „facile“-Sonate im Zugabenteil den Kopf ein, in ständiger Erwartung weiterer Hyper-Super-Überarbeitung. Die Sonate fällt aber nur durch sehr kühl geschnittene Läufe in der Durchführung auf, durch denselben Ton aus Eis und Glamour, der schon Alban Bergs erste Klaviersonate ganz am Anfang des offiziellen Programms gekennzeichnet hatte. Und dann spielt Hamelin als Encore eine Etüde, die vielleicht von dem Pianisten Paul de Schlözer, aber wohl eher noch von dessen Zeitgenossen Moritz Moszkowski stammt. „Schlözer nahm das Stück nach einem Kartenspiel als Gewinn mit“, erläutert Hamelin am übergroßen Yamaha-Konzertflügel, und schon liegt ihm das Berliner Publikum noch williger zu Füßen. Auch die Bizarrerien dieser Musik lassen an Stücke im Kernprogramm zurückdenken, das tönende Monstrum von Rachmaninows zweiter Klaviersonate zum Beispiel oder an Ravels „Gaspard de la Nuit“, der jahrzehntelang als technisch schwierigste Klaviermusik überhaupt galt und Hamelin Gelegenheit gibt, auch seine Gabe zu bedächtigem Nachsinnen (im „Galgen“ überschriebenen zweiten Satz) unter Beweis zu stellen. Es ist ein großer erster Abend für das einwöchige Klavierfestival.

Die nächsten Konzerte spielen Paul Lewis (16. April) und Janina Fialkowska (17. April), danach Yevgeny Dusbin (19. April) und Benjamin Grosvenor (21. April), alles Künstler, die trotz ihrer überragenden Fähigkeiten bislang zu selten in Berlin zu hören waren. Wenige Restkarten sind noch zu haben (Infos: berliner-klavierfestival.de). Christiane Tewinkel

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