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Irina Antanowa, langjährige Direktorin des Moskauer Puschkin-Museums im Oktober 2012 

© Martin Schutt/dpa

Eiserne Lady aus dem Puschkin-Museum: Die Hüterin der sowjetischen Beutekunst ist tot

Avantgardistisch gesinnt und doch streng linientreu: Mehr als 50 Jahre lang prägte Irina Antonowa die russische Kunstszene – mit Folgen für Deutschland.

In der russischen Kunst verkörpere Irina Antonowa eine ganze Epoche, schrieb der russische Präsident Wladimir Putin am Dienstag pathetisch. Das überhöht ihre Rolle nicht. Mehr als 50 Jahre lang leitete sie eine der bedeutendsten Kulturstätten Russlands, das Puschkin-Museum für Bildende Kunst in Moskau.

Bekanntheit erlangte Antonowa hierzulande vor allem durch ihre kompromisslos ablehnende Haltung, wenn es um die Rückführung von Beutekunst aus dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland ging. Doch sie auf diese Rolle zu reduzieren, wird ihr nicht gerecht. In der Nacht zum Dienstag ist die Kunstwissenschaftlerin, 98-jährig, in Moskau gestorben.

Ihre Arbeit am Puschkin-Museum begann Antonowa im April 1945 als Spezialistin für die italienische Renaissance. Doch bald widmete sich die Kuratorin der Katalogisierung der Kunstwerke, die die so genannten „Trophäenkommissionen“ der sowjetischen Armee in der Dresdner Galerie Alte Meister requiriert und nach Moskau gebracht hatten.

Dass sie die Dresdner Gemälde selbst ausgesucht habe, dementierte Antonowa mehrfach. Bevor die Werke, darunter Raffaels Sixtinische Madonna, 1955 nach Dresden zurückgingen, stellte sie eine Ausstellung im Puschkin Museum zusammen. Sie sei damals gegen eine Rückführung gewesen, erklärte sie später offen.

Vermittlerin westlicher Kunst

Über diese Frage blieben ihre Ansichten unverrückbar: Deutschland habe kein Recht auf die Rückgabe der Kunstschätze, die in den Depots des Puschkin-Museums lagerten. Bis 1992 war nicht nur geheime Verschlusssache, um welche Sammlungen und Werke es sich im Einzelnen handelt. Ihr Besitz wurde geleugnet.

Irina Antonowa bei einer Ausstellungseröffnung 2004.
Irina Antonowa bei einer Ausstellungseröffnung 2004.

© Sergei Chirikov,Reuters

Als Präsident Boris Jelzin damals ankündigte, „unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter“ würden an den Eigentümer zurückgegeben, betrieb Antonowa Lobbyarbeit im Parlament dagegen. Weitgehend erfolgreich. 1996 wurde dann der von Schliemann ausgegrabene Priamos-Schatz in Russland ausgestellt und 2007 der Schatz der Merowinger. Noch immer aber ist die Beutekunst eines der ungelösten Probleme im deutsch-russischen Verhältnis.

So starrsinnig sie in Fragen der Beutekunst bis zum Schluss blieb, so offen war sie auf anderen Feldern.

In der Zeit des „Tauwetters“, den 60-er Jahren, öffnete Antonowa das Museum für junge Künstler. So konnte der Komponist Alfred Schnittke, der im Moskauer Konservatorium verpönt war, seine Werke im Puschkin-Museum uraufführen. Auch gab es Lesungen mit Lyrikern wie Jewgeni Jewtuschenko.

Eine besondere Beziehung pflegte Antonowa, die fließend Deutsch, Französisch und Italienisch sprach, für westliche Kunst. Sie brachte epochale Ausstellungen in die russische Hauptstadt wie die Schau „Moskau-Berlin, Berlin-Moskau“ 2003/2004. Sie zeigte die italienische Renaissance, Modigliani, Picasso und viele andere, in den 80-er Jahren dann auch Warhol, Rauschenberg, Lichtenberg und Johns.

Als sie 2013, im Alter von 91 Jahren, die Leitung des Museums aufgab, wurde für Antonowa speziell das Amt einer Präsidentin eingerichtet.

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