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Ein Fehlschuss bei der Jagd verändert das Leben des Protagonisten für immer.

© dpa

Southern Noir Thriller: Eine schöne Leiche

Blut, Tränen, Morast: Der Southern Noir Thriller „Ein einziger Schuss“ von Matthew F. Jones ist ein kleines Meisterwerk des Genres.

Der Tod macht hässlich. Meist sind Leichen unansehnlich, deshalb müssen sie vor der Beerdigung präpariert werden. John zieht sich Gummihandschuhe an, bevor er zum Make-up greift. „Als er einige Haarsträhnen aus dem Gesicht des Mädchens gekämmt hat, löst er ihren Pferdeschwanz, kämmt die Schnecken heraus und legt das Gummiband wieder um den Haarschopf. Er legt Lippenstift auf und schminkt die Augen. Da sie weiter blass wirkt, streicht er Rouge auf ihre Wangen und Schläfen.“

Das Mädchen, vielleicht 19 oder 20 Jahre alt und an Gesicht, Oberkörper und Beinen voller Dreck, verwandelt sich in eine schöne Leiche. Der Mann, der die junge Frau so liebevoll säubert und schminkt, als wäre sie seine Braut, hat sie getötet. Als er mit seiner Arbeit zufrieden ist, fotografiert er die Tote mit seiner Polaroidkamera aus drei verschiedenen Perspektiven. Der Gefrierschrank im Keller, ein Meter fünfzig hoch, wird ihr Sarg. Um die Leiche hineinzuzwängen, muss er sie falten, bis er das Knacken eines zerbrechenden Knochens hört. Endlich hat sie ihre letzte Ruhe gefunden, zwischen tiefgefrorenen Wildfiletstücken.

Bereits verfilmt worden

Man könnte den Helden von Matthew F. Jones’ Kriminalroman „Ein einziger Schuss“ für einen Serienmörder halten, den seine pathologische Sexualität an weibliche Leichen bindet. Falsch. John Moon gehört zur Spezies der stolzen Verlierer, er ist einfach ein notorischer Pechvogel. Gerade wurde er von Frau und Kind verlassen, die Farm in West Virginia, die sein Vater einst an die Bank verlor, konnte er bloß mieten. Nur einen Aushilfsjob im Straßenbau hat er, das Geld ist knapp. Deshalb geht John wildern, im Morgengrauen verfolgt er einen Hirsch bis in dichtes Unterholz und schießt auf etwas, das sich bewegt und braunweiß aussieht. Mit dem Schuss tötet er das Mädchen. Dieser Schuss lenkt sein Leben in eine andere, gefährliche Richtung.

Matthew F. Jones hat seine Hardboiled-Lektionen gelernt. Der in Virginia lebende Schriftsteller und Drehbuchautor erzählt straight und lässt seine Story mit kalter Präzision bis zum Showdown eskalieren. Denn bei der Leiche liegt ein Sack voller Dollarscheine, die mit einem Doppelmord zu tun haben. Bald kreuzt ein Cadillac durch das Städtchen, in dem Männer sitzen, die behaupten, ihnen gehöre das Geld. John Moon, der Versager, nimmt den Kampf auf. „Jenseits des Bewussten gibt es einen Ort, wo alles klarer ist als im Denken“, weiß er. „In diesem Bereich gibt es keine Mehrdeutigkeiten, genauso wenig wie eine Moral.“ Der dritte von Jones’ bislang sechs Romanen, in den USA 1996 erschienen, wirkt wie gemacht für Hollywood. Tatsächlich ist er bereits verfilmt worden, mit Sam Rockwell und William H. Macy. Blut, Tränen, Morast. Ein kleines Meisterwerk des Southern Noir.

Matthew F. Jones: Ein einziger Schuss. Roman. Aus dem Amerikanischen von Robert Brack. Polar Verlag, Hamburg 2016. 272 Seiten,

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