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In der "Halka"-Inszenierung des Teatr Wielki Poznan wird der Chor zum Teil des Publikums.

© Teatr Wielki Poznan

Eine lohnende Wiederentdeckung: Der polnische Verdi

Zum 200. Geburtstag des Komponisten Stanislaw Moniuszko ist jetzt seine Meisteroper "Halka" in Berlin zu erleben.

In bedrückenden Zeiten, wenn ein Land von fremden Mächten besetzt ist, kann Musik Hoffnung geben. Und nationales Selbstbewusstsein festigen. Das war bei Verdi und der italienischen Einigungsbewegung so. Das funktionierte auch Mitte des 19. Jahrhunderts, nachdem Preußen, Russland und Österreich den Staat Polen zerschlagen und unter sich aufgeteilt hatten. In Warschau wurde 1858 die Aufführung von Stanislaw Moniuszkos Oper „Halka“ zu einem Triumph. Das Publikum feierte das Werk als Geburtsstunde des nationalen Musiktheaters.

Es erzählt die Geschichte des Bauernmädchens Halka, das von einem Adligen verführt und geschwängert wird. Obwohl er es ihr versprochen hat, heiratet er sie nicht. Er strebt eine standesgemäße Ehe an. Während der Verlobungsfeier erscheint Halka vor dem Schloss und singt das Lied von der weißen Taube, dem ein stolzer Falke das Herz herausgerissen hat. Janusz schickt sie weg und macht ihr zugleich Hoffnung, dass er zu seiner Liebe stehen werde. Was er nicht tut: Im 4. Akt stürzt sich Halka von einem Felsen in den Fluss, während Janusz seine hochwohlgeborene Braut zum Altar führt.

Eine packende Geschichte, eingängig vertont, unter Verwendung von traditionellen Weisen und Tänzen aus verschiedenen Teilen Polens – mit „Halka“ konnten sich Intellektuelle identifizieren – und auch die Vertreter des Landadels, die einen Großteil der Opernbesucher ausmachten, sahen über die scharfe Sozialkritik des Librettos hinweg.

In der ersten Saison war die „Halka“ an der Warschauer Oper 40 Abende ausverkauft. 1876 feierte man die 200., 1885 die 300. Vorstellung. Stanislaw Moniuszko wurde zum Direktor des Hauses berufen, bis zu seinem Tod hatte er das Amt inne. Er starb 1872 im Alter von 53 Jahren an einem Herzinfarkt.

Im Ausland konnte sich „Halka“ nie durchsetzen; in Polen gehört es bis heute zum Kernrepertoire aller Bühnen, das Teatr Wielki in Poznan ist sogar nach Moniuszko benannt. Anlässlich des 200. Geburtstags des Komponisten spielt das Posener Opernensemble am Dienstag, den 1. Oktober die „Halka“ in der Berliner Philharmonie. In Poznan hat Regisseur Pawel Passini das Drama als poetische Bildertheater inszeniert. In Berlin muss die Musik für sich allein sprechen. 1936, 1953 sowie 1991 wurde die „Halka“ hier gespielt, hinterließ aber unerklärlicherweise keinen nachhaltigen Eindruck.

Moniuszko liebte die Musik des französischen Komponisten Auber

Tatsächlich ist sie für alle Nicht-Polen eine Entdeckung. Weil der Komponist nicht nur eine leichte Hand beim Erfinden schöner Melodien hatte, sondern auch ein genuines Gespür für dramatische Zuspitzung. Der Posener Generalmusikdirektor Gabriel Chmura erklärte ihn bei der Premiere zum polnischen Donizetti, so feurig, so südlich-leidenschaftlich ließ er das Orchester spielen. Ein starker Puls treibt diese Musik an, und die jungen Sänger stiegen begeistert auf Chmuras packende Lesart ein, vor allem Magdalena Molendowska faszinierte als Titelheldin mit flammenden Kantilenen. Sie wird auch in Berlin die Halka singen.

Die stilistischen Einflüsse in der Musiksprache des 1819 in der Nähe von Minsk geborenen Komponisten stammen aber nicht nur aus dem Mutterland der Oper. Es gibt auch eine deutsche Seite: In Berlin war Moniuszko von 1837 - 40 Schüler von Carl Friedrich Rungenhagen, dem Leiter der Berliner Sing-Akademie. Der ließ ihn ganz altmodisch Kontrapunktübungen machen und vermittelte ihm damit eine solide handwerkliche Basis. Moniuszkos große Bewunderung aber galt seinen französischen Kollegen Daniel Francois Esprit Auber, damals neben Giacomo Meyerbeer der größte Star der Pariser Musikszene. Wie viel sich der junge Pole bei ihm abgelauscht hat, lässt sich heute schwer nachvollziehen denn auch Aubers Werke sind aus den Spielplänen der Theater weitgehend verschwunden.

Moniuszko blieb eine polnische Berühmtheit

Fryderyk Chopin, aus derselben Generation wie Moniszko, machte sich als 20-Jähriger aus Warschau nach Frankreich auf und wurde dort zu einem polnischen Komponisten von internationaler Ausstrahlung. Die beiden Paris-Besuche Moniuszkos dagegen verliefen enttäuschend, seine Reputation beschränkte sich auf Polen. Verehrt wurde er für die Art, wie er das Volkstümliche zu nobilitieren verstand– und für seine berührende musikalische Sprache. Ihre gesellschaftskritische Handlung sicherte seiner „Halka“ dann aber auch in sozialistischen Zeiten einen Spitzenplatz im kulturellen Kanon des Landes. Frederik Hanssen

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