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Silbergelockter Sängerstar. Plácido Domingo ist 73 Jahre alt.

© Dario Acosta/DG

Plácido Domingo singt mit Barenboims Staatskapelle: Ein Tenor und andere Helden

Plácido Domingo war ein Superstar im Operngeschäft. Heute ist er 73, und sein Bariton strahlt nicht mehr so wie einst. In der Berliner Philharmonie wurde er trotzdem bejubelt.

Er wolle keinen Tag weniger singen, als er kann, sagte Plácido Domingo schon vor fünf Jahren. Heute ist er 73, silbergelockten Haars, und erfreut sich eines edlen, keineswegs aber überdurchschnittlichen Baritons. Aus dem virilen Startenor von einst ist ein freundlicher älterer Herr geworden, dem man bei den staatsoperlichen Festtagen mit Recht zu seiner unglaublichen Lebensleistung applaudiert.

Denn die kaum 100 Takte, die Domingo in der Philharmonie auf exakt sechs unterschiedliche Worte in Max Regers „Hebbel-Requiem“ singen darf, vermögen wohl kaum der Kraft des einstigen Weltruhms zu entsprechen. Domingo hat nach seinen Opernauftritten nun diese undankbare Rolle in einem undankbaren Stück übernommen, dessen larmoyante Weltschmerzüberhebung spätestens mit dem Ende der Pause aus dem Gedächtnis weggesickert ist. Mag das auch am Staatsopernchor liegen, der in der Philharmonie einer überpräsenten Staatskapelle an kaum einer Stelle gewachsen ist – dieser Reger bleibt eine fade Ausgrabung, sowohl geschöpft als auch interpretiert.

Was aber macht Barenboim dann? Er dirigiert „Ein Heldenleben“, ausgerechnet am Karfreitag diesen vorwitzigen Strauss, und endlich entkrampft sich die Staatskapelle. Ihr Chef dirigiert auswendig mit ungeahnter Lässigkeit: Barenboim lockert noch die längste Leine, deutet nur an, welche Kontraste ihm am wichtigsten sind. Wesentliche Impulse scheinen aus dem Orchester selbst zu kommen, angeführt vom begnadeten Konzertmeister Wolfram Brandl, dessen Soli von solch zwingender Betörung sind, dass man die Augen schließen muss. Die technisch nun nahezu makellose Staatskapelle erweist sich als feinsinniger, wacher Organismus, der kleinste Zeichen deutend sichtbar macht. Dieser frühe Strauss ist überschäumender jugendlicher Fantasie entsprungen, darf unstet blitzen, übermütig auftrumpfen – und muss doch klar bleiben. Kaum ein Konkurrent musiziert das so farbenfroh und neugierig, leicht und doch absolut punktgenau. Im Strudel ständigen Wandels diesen hörbar zu machen, dazu sind nicht viele fähig: Daniel Barenboim führt ein Heldenorchester.

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