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Aufbruch ins Morgen. Ein sowjetisches Publikum lauscht den Worten des früheren Bauhaus-Direktors Hannes Meyer.

© Katalog Bauhaus-Archiv 1989

Nachfolger von Walter Gropius: Ein Sammelband würdigt Bauhaus-Direktor Hannes Meyer

Bisher war sein Name selten zu hören. Ein Sammelband zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum würdigt nun den ehemaligen Direktor Hannes Mayer.

Im 100. Jahr der Bauhaus-Gründung wird es eine Fülle von Feiern geben. Der Name von Hannes Meyer, Nachfolger von Walter Gropius als Direktor der Lehranstalt, wird im Jubiläumsjahr häufiger fallen, als das über Jahrzehnte hinweg der Fall war. Erst vor wenigen Wochen wurde in Berlin ein umfangreiches Buch vorgestellt, das von seiner wechselvollen Tätigkeit handelt (Tsp. v. 13. Januar), und schon folgt die zweite Veröffentlichung, ein Sammelband, der zum Teil die Referate einer Tagung wiedergibt. Veranstalter im April 2018 war die Universität Kassel, an der Philipp Oswalt lehrt, zuvor Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau und bestrebt, den politisch linksstehenden, freilich zwischen Genossenschafts-Romantik und Stalinismus-Doktrin schwankenden Meyer gebührend herauszustellen.

Ihm waren nur zweieinhalb Jahre als Direktor vergönnt. Nach seiner Entlassung 1930 hielt er mit seiner Meinung über die beim Amtsantritt 1928 vorgefundene „Hochschule für Gestaltung“ nicht hinterm Berg, „in welcher aus jedem Teeglas ein problematisch-konstruktivistelndes Gebilde gemacht wurde“. Dem setzte er seinen Radikal-Funktionalismus entgegen und brachte die Künstler am Bauhaus, voran Kandinsky, gegen sich auf.

Ein Leben voller Brüche und Wendungen

Dem Sammelband in der Reihe „Bauwelt Fundamente“ hat Oswalt eine Einleitung vorangestellt, in der er sich und seine Mitstreiter ermahnt, „wir“ seien „gut gehalten, Meyers Bauhaus nicht zu mystifizieren und zu idealisieren“. Das setzt den Tenor für sachliche und informative Beiträge, die zwar vorrangig die Bauhaus- Zeit Meyers, aber auch dessen weitere Tätigkeiten und – besonders interessant – seine Schüler behandeln. Deren wirkmächtigster war Arieh Sharon, dem Meyer sogar die Leitung seines Berliner Baubüros zur Zeit der Errichtung der Bernauer Bundesschule anvertraute. Sharon wurde zum Begründer und Fixstern der israelischen Architektur. Zum Studium zugelassen hat ihn Meyer nicht wegen dessen Erfahrung beim Bau von Kibbutzim in Palästina, sondern als dortiger Imker.

Solche für Meyer bezeichnenden Anekdoten finden sich in einzelnen Beiträgen. Auch, dass ein weiterer Bauhaus-Schüler, Fritz Ertl, später an der Planung von Auschwitz beteiligt war – um nach dem Krieg im heimischen Österreich „im Stil der Moderne“ zu bauen. Es gab eben nicht „das“ Bauhaus und schon gar nicht „die“ Bauhäusler. Aus Meyers eigenem Lebenslauf ragt seine Zeit als Direktor heraus; sie war mehr als eine Episode, aber doch auch nur der Teil eines Lebens voller Brüche und Wendungen.

Philipp Oswalt (Hrsg.): Hannes Meyers neue Bauhauslehre. Von Dessau bis Mexiko. Bauwelt Fundamente Bd. 164. Birkhäuser Verlag, Basel 2019. 560 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 29,95 €.

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