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Präzise und packend. Hans Löw spielt urbane Enddreißiger.

©  Kai-Uwe Heinrich

Hans Löw auf der Berlinale: Ein Mann, der sich kümmert

Berlinale-Panorama: Hans Löw verkörpert in Edward Bergers Episodenfilm „All my loving“ einen Typus von Mann, der im Kino noch viel zu selten ist.

Er spielt den, der die alten Eltern in der Provinz besucht. Oder den, der ans Sterbebett der Oma eilt. Und den, der sich daheim ums Kind kümmert. Aber auch den, der ein Baby mit einer Art Lötkolben am Schädel operiert.

Wie bitte? Jawohl: In der zweiten Staffel der Serie „Charité“, die gleich im Anschluss an die Berlinale in der ARD läuft, spielt Hans Löw ausnahmsweise mal nicht die Allerweltstypen von heute, die er in letzter Zeit so geballt im deutschen Indie-Kino darstellt. Sondern den Chirurgen Dr. Adolphe Jung. Einen distinguierten Franzosen aus dem Elsass, der von den Nazis aus Strafe für seine mangelnde Kooperation zum Krankenhausdienst in Berlin zwangsverpflichtet wird. Die historische Figur mit dem sorgsam zurückgestriegelten Haar steht dem 1976 in Bremen geborenen Schauspieler genauso selbstverständlich zu Gesicht wie der unrasierte Hausmann und Langzeitstudent Tobias, den er im Panorama-Beitrag „All my loving“ spielt.

Das sei ja schon eine passende Überschrift, spaßt Hans Löw, der aus Hamburg zum Festival angereist ist, „ein frankophiler Normalo, der den heutigen Mann verkörpert“. Passt. Exaltierte Charaktere und spektakuläre Genremasken kann schließlich jeder. Doch präzise, packend und ohne Manierismen einen Typus darstellen, der in seinen Reaktionsmustern, Blicken, Gesten, in der Körper- und Sprechhaltung einem Enddreißiger oder Mitvierziger der urbanen Mittelschicht entspricht, ist so einfach nicht.

Traditionelle Rollenmuster negieren

Edward Berger („Jack“, „Deutschland ’83“) wird wissen, warum er seinen Episodenfilm über drei Geschwister dieser Altersklasse genauso besetzt hat: Nele Mueller-Stöfen spielt Julia, die den Tod ihres Sohnes durch übergroße Hundeliebe kompensiert. Lars Eidinger ist Stefan, ein Pilot mit Porsche, der sich über seinen Hörsturz hinwegtröstet, in dem er uniformiert in Hotelbars sitzt und Frauen aufgabelt. Und in der subtilsten Episode verkörpert Hans Löw Tobias, dessen Diplomarbeit schon ewig hängt, weil er drei Kinder aufzieht, während seine Frau das Geld verdient. Als klar wird, dass die alten Eltern in der alten Heimat Hilfe brauchen, ist für die beiden anderen und damit letztlich auch für ihn klar, dass er hinfährt und dem störrischen Vater und der in Schweigen versinkenden Mutter unter die Arme greift. Tobias ist das Gegenteil eines Karrieristen. Er ist ein Kümmerer.

Ein kompromissbereiter, traditionelle Rollenmuster negierender, von Selbstzweifeln angefressener, aber Alltagserfordernisse trotzdem pragmatisch angehender Fürsorger: ein männlicher Phänotyp, den das Kino trotz unzähliger „neuer Männer“, die ihre Vaterschafts-Erfahrungen zu Markte tragen, immer noch viel zu selten erzählt. Armin, der Berliner Single, den Löw in Ulrich Köhlers Endzeit-Abenteuer „In my room“ spielt (letztes Jahr in Cannes uraufgeführt), zögert nicht, sich tröstend zur zahnlosen Oma zu legen, als ihre Stunde naht. Selbst Löws Figur Martin, die nach einem Klassentreffen in Eva Trobischs in Locarno prämiertem Debüt „Alles ist gut“ die frühere Klassenkameradin Janne vergewaltigt, kümmert sich danach quälend ratlos um sie.

Ende März in Berlin auf der Bühne

Es könne durchaus sein, dass sich die Stoffe einer bestimmten Zeit vorübergehend mit der eigenen schauspielerischen Ausstrahlung decken, nickt Hans Löw. „Ich habe ja selbst zwei Kinder und auch mal damit zu kämpfen, Beruf und Erziehung unter einen Hut zu bringen. Es sind die Dinge, die einen in der Lebensmitte beschäftigen, die ,All my loving’ erzählt.“ Das Thema neuer Mann sei allerdings schon so lange in der Welt, dass es für ihn Selbstverständlichkeit erreicht habe. „Klar sagen einem trotzdem Schwiegermütter – in echt wie im Drehbuch – noch immer: ,Mein Gott, was du als Vater so wegschaffst’. Man muss aber sehr aufpassen, beim Thematisieren die Rollenzuschreibungen nicht schon wieder reflexhaft zu benutzen.“ Schließlich gehe es darum, sie aufzulösen, wie bei Eva Trobischs Figur des stinknormalen, empathischen Vergewaltigers. Erst dann könnten neue Handlungsmuster entstehen, die gesellschaftlich etwas in Bewegung brächten. „In ,All my loving’ ist das Aufbrechen der Rollen, die man in der Lebensmitte zugewiesen bekommt, ja der erste Schritt um das Versteinern, das Armins alte Eltern vorleben, zu vermeiden.“

Der gebürtige Stuttgarter war nach dem Studium an der Otto-Falckenberg- Schule in München zehn Jahre Ensemblemitglied des Thalia Theaters in Hamburg und hat von Hamlet bis Werther alles verkörpert. Ende März ist er im Berliner Deutschen Theater in Max Frischs „Biografie: Ein Spiel“ mal wieder auf der Bühne zu sehen. Eins von zwei Repertoirestücken, die er in Hamburg und Berlin noch regelmäßig spielt. Dass auch mal wieder mehr Theaterrollen anstehen könnten, schließt Hans Löw nicht aus. Doch erst mal macht er bei der Verfilmung von Bov Bjergs Roman „Auerhaus“ mit. Und dann stehen plötzlich Regisseurin Eva Trobisch und Schauspielkollegin Aenne Schwarz – also sein Team von „Alles ist gut“ – im Café in Mitte und wollen Hans Löw dringend abholen. Fürsorglich zu sein zahlt sich offensichtlich über mehr als die Dauer eines Filmdrehs aus.

15.2., 19 Uhr (Zoo Palast 1), 17.2., 20 Uhr (International)

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