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Kugelblitz. „Lux Serpentinata“ nennt Susanne Rottenbacher die Serie, bei der die gebogenen Neonröhren den Bewegungen manieristischer Figuren nachempfunden sind. Ein Exemplar fand Aufstellung im Garten vom Kunsthaus Dahlem.

© Claus Rottenbacher

Ein Atelierbesuch bei Susanne Rottenbacher: Die mit dem Licht schreibt

Die Berliner Lichtkünstlerin Susanne Rottenbacher arbeitet mit einem ganz besonderen Werkstoff. Ihre Skulpturen verändern sich beständig.

Besonders im Winter merken wir, welch große Bedeutung Licht für uns hat. Funkelnd und entfremdet ragen Hochhausblocks aus den Feldern empor, kommt man vom Land in die Stadt. Licht fasziniert seit jeher: Ohne Licht kein Leben, keine Wärme und keine Kunst. Ein besonders Licht aber scheint den Passanten, die am Zehlendorfer Haus am Waldsee vorbeikommen. Dort befindet sich seit 2019 rechts und links auf den Posten des Gartenportals die Installation „Sturm und Drang“, zwei kunstvoll ineinander geknäuelte Gebilde aus farbigen Neonröhren. Es stammt von Susanne Rottenbacher.

Licht ist das Hauptmedium der Berliner Künstlerin, mit all seinen unterschiedlichen Qualitäten. „Eine besondere Eigenschaft von Licht in der bildenden Kunst besteht darin, dass es etwas demokratisches hat,“ sagt sie. „Es ist das Gegenteil von Konzeptkunst, für die oft erst eine Erklärung nötig ist, um sie zu verstehen.“ Ihre Kunst ermögliche ein direktes Erleben, für jede Altersgruppe. Rottenbachers Kunst grenzt nicht aus, sie umarmt.

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Denn Licht ist positiv besetzt. Menschen, die mit Licht arbeiten, ob Künstler:innen oder Lichtplaner:innen, ist der 52-Jährigen aufgefallen, gehen besonders sensibel mit diesem Stoff um, der auch aggressiv wirken kann. Nicht von ungefähr gilt Licht als Herrschafts- oder Machtsymbol.

Besucht man Rottenbacher in ihrem Atelier, so ist es dort zunächst überraschend dunkel, eine Treppe führt in einen hohen Raum mit holzgetäfelter Decke. Alles wirkt warm, einzige Lichtquelle sind ihre Werke. Wie ein Kugelblitz entlädt sich hier „Lux Serpentinata 01“ in den Raum, fast lebendig, als würde sie sich winden. Die Arbeit ist von schlangenförmig verdrehten, miteinander ringenden Figuren des Manierismus inspiriert. Hier sind es lichtgefüllte Röhren, die sich winden.

Licht kann den Raum okkupieren

Rottenbachers Werke scheinen zu leben, sie stehen im Dialog mit dem Umraum und verändern ihn, interpretieren ihn neu. Wie im natürlichen Umfeld herrscht nie dasselbe Licht, dieselbe Tages- oder Jahreszeit. Sie verändern sich im Laufe der Jahre. In ihrer Bewegung scheinen sie wie in einer Momentaufnahme innezuhalten, als würde bei einer Tanzveranstaltung die Stopptaste gedrückt und alle erstarren.

„Licht vermag den Raum zu okkupieren. Es entstehen Spiegelungen, er wird erleuchtet,“ beschreibt Rottenbacher das Phänomen. Ihre Kunst nennt sie ein In-den-Raum-Hineinschreiben mit Licht. Fotografie, Skulptur bliebe in sich verhaftet, erklärt sie den Unterschied. Aber mit Licht erlebe man immer wieder Überraschungen, wenn sich die Arbeiten in ihrer Wirkung veränderten.

 „Es ist das Gegenteil von Konzeptkunst, für die oft erst eine Erklärung nötig ist, um sie zu verstehen.“, sagt Susanne Rottenbacher über ihre Kunst.
„Es ist das Gegenteil von Konzeptkunst, für die oft erst eine Erklärung nötig ist, um sie zu verstehen.“, sagt Susanne Rottenbacher über ihre Kunst.

© Claus Rottenbacher

Geboren in Göttingen, wusste Rottenbacher bereits als Kind, dass sie dort nicht bleiben würde. Schon immer besaß sie eine Leidenschaft für Raumgestaltung und wollte Bühnenbildnerin werden. Bereits ein Jahr vor dem Abitur lernte sie jeden Abend im Bett für Aufnahmeprüfungen ausländischer Universitäten. Es klappte. 1988 begann sie ihr Studium an der Columbia University in New York. „Manhattan war damals noch sehr brutal,“ erinnert sie sich. „Aber ich war von tollen Leuten umgeben, die alles gegeben haben.“

Sie macht das Lichtdesign fürs Kanzleramt

Während des Studiums merkte sie bald, dass es sie mehr interessierte den Raum mit Licht statt gebauter Materie zu strukturieren – „ es hat so eine große emotionale Kraft“. Also beschloss sie ein weiteres Jahr an der Bartlett School of Architecture and Planning in London Licht zu studieren. Nach Deutschland zurückgekehrt, ging sie als Bühnenbildnerin an die Deutsche Oper in Berlin und 1997 schließlich für vier Jahre zum Berliner Unternehmen „Licht Kunst Licht“, wo sie das Lichtdesign für das Bundeskanzleramt und andere Regierungsbauten erarbeitete. Seit 2007 ist sie freie Lichtkünstlerin, inzwischen ausgezeichnet mit einer Vielzahl an Stipendien und Preisen.

Die gleiche strahlende Kraft wie in ihren Arbeiten geht auch von ihr als Person aus. Vorbilder sind für Rottenbacher Menschen, die sich mit ihren Ideen durchsetzen und dabei liebevoll im Umgang bleiben. Am Theater fasziniert sie Robert Wilson, der mit der Lichtdesignerin Jennifer Tipton für sie sensationelle Inszenierungen schuf. In der Kunst sind es so unterschiedliche Positionen wie James Turrell, Dan Flavin oder Maurizio Nannucci, auch wenn ihr eigenes Werk fern von deren Minimalismus ist.

Gerade ist bei DCV ihr Buch „Radiationen“ erschienen mit Beiträgen von Katja Blomberg, der langjährigen Leiterin des Haus am Waldsee, und des Berliner Kurators Mark Gisbourne (100 Seiten, 44 €). Natürlich ist darin auch „Lily Pond“ abgebildet, der bei den Swarovski Kristallwelten in Innsbruck strahlt. Nur die Arbeiten der Ende Januar in der Kölner Galerie Martina Kaiser geplanten Ausstellung „Jupiter und Io, 2.0“ fehlen. Sie leuchten weiter.

Maja Hohenberg

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