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Gastgeber. Bundespräsident Gauck spricht ei der Film-Soiree im Schloss Bellevue spontan zu den Gästen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Film-Soiree im Schloss Bellevue: Ein Abend mit dem Bundesvater

Energie und Fantasie: Bundespräsident Joachim Gauck lädt in Berlin zur Soiree des deutschen Films. Und wünscht sich "ermutigte Künstler".

Nur einmal, mittendrin, wird das Protokoll ein bisschen nervös. Da greift Joachim Gauck, den geordneten Ablauf der Veranstaltung unterbrechend, zum Mikrofon und will offenbar dringend etwas loswerden. Aber hatte er nicht schon eingangs eine runde Rede gehalten vor den 200 Versammelten des deutschen Filmwesens, war jetzt nicht der im feinen Programmheftchen angekündigte letzte Abendordnungspunkt an der Reihe, die „Präsentation von Musik aus dem Film ,Comedian Harmonists’“?

Stimmt. Einerseits. Irgendwie. Schließlich hatte der Bundespräsident die historisch erste „Soiree zur Würdigung des deutschen Films“ im Berliner Schloss Bellevue mit einer eleganten Tour d’Horizon eröffnet, hier das Filmerbe gewürdigt, dort mehr Anstrengungen in der Filmpädagogik angemahnt und seine Gäste in Ergänzung des Redemanuskripts allesamt zu „Filmstars“ gemacht – egal, „wie viele Leute Sie auf der Straße erkennen“. Und sie mit bundesväterlicher Gastgeberwärme ausdrücklich nicht nur zum Essen (kleinfeiner Häppchen), sondern auch zum Trinken eingeladen.

Jetzt aber muss das raus. Die Filmleute mögen doch weder jammern noch sich mit der Last eines gesamtgesellschaftlichen Auftrags überfrachten, rät er, „aber Sie haben einen besonderen Weg“. Dabei erinnert er sich an an das „unglaublich energiegeladene“ Flüchtlingsforum vom Vortag am selben Ort und träumt nun explizit davon, die „Energie derer, die politisch arbeiten“, möge sich mit der Fantasie der Künstler verbinden. „Ich wünsche mir ermutigte Künstler – nicht die, die mit tragischem Blick das Missbehagen als Kultur ausgeben“.

"Wir müssen raus in die Welt", fordert Regisseur Ali Samadi Ahadi

Klar, ein genereller Appell. Aber vielleicht auch der Reflex auf einen gewissen, in der deutschen Filmfamilie verbreiteten sorgenbeladenen Ton, der sich zuvor in Statements und eine kurze Podiumsdebatte eingeschlichen hatte. Da widmet Hans-Helmut Prinzler, einst langjähriger Chef der Stiftung Deutsche Kinemathek, seinen gesamten Wortbeitrag einem Appell zur Rettung und Restaurierung alter Filme, da beklagt "Salami Aleikum"-Regisseur Ali Samadi Ahadi die Enge der regionalen Filmfördererrichtlinien und fordert emphatisch: „Wir müssen raus in die Welt!“.

Doch auch das von Iris Berben mit charmantem Lampenfieber in gänzlich neuer Rolle als Moderatorin geleitete Podium, besetzt mit den Oscar-Preisträgern Volker Schlöndorff („Die Blechtrommel“, 1980), Caroline Link („Nirgendwo in Afrika“, 2003) und Florian Henckel von Donnersmarck („Das Leben der Anderen“, 2007), bewegt sich eher im melancholischen Kleinklein. Caroline Links Ermutigung des Nachwuchses zum „kreativen Geist“ etwa lässt sich durchaus als Kritik an Selbigem gegenlesen, und Volker Schlöndorff verkündet kategorisch: „Leider haben wir keine Filmkultur, obwohl ich mich seit 60 Jahren darum bemühe.“ Auch das ist, zumindest für einen Augenblick, nicht zwingend augenzwinkernd selbstironisch zu verstehen.

Henckel von Donnersmarck bereitet derzeit einen Dreh vor

Einzig Donnersmarck, dessen gewaltiger Hahnenkamm von Haarschopf der mächtigen Gestalt noch mehr lichte Höhe verleiht, weiß aus seinen Erfahrungen in Los Angeles ungeteilt Positives zu berichten: „Wenn dort ein deutscher Film gezeigt wird, ist das Kino voll.“ Er aber ist bekanntlich ohnehin ein Mann für Energie im großen Stil: Derzeit bereitet er einen Dreh – Arbeitstitel: „Werk ohne Autor“ – in Deutschland vor, bei dem NS- und SED-Zeit gemeinsam eine tragende Rolle spielen. Und gerade Nazi- sowie Stasi-Stoffe bürgen für den internationalen Erfolg des deutschen Kinos, das beweisen nicht zuletzt die Oscar-Filmthemen der auf dem Podium versammelten Prominenz.

Hoch hinaus. Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck mit Frau und Tochter im Schloss Bellevue.

© Agency People Image

Um Glamour aber geht es an diesem Abend nicht, sondern um Substanz, um Selbstverständigung an höchst ungewöhnlichem Ort. Und um grundsätzliche Leidenschaft für den Film, die die Gäste aus vielen Berufsbildern des Kinos vereint. Passt doch, wenn der Gastgeber auf seine Weise spontan dazwischenfunkt. Und als sich die angekündigte Musikpräsentation als Live-Auftritt der Schauspieler des Kinohits „Comedian Harmonists“ von 1997 (!) entpuppt, verwandelt sich der prächtig illuminierte Große Schlosssaal fast in eine Konzert- oder Party-Location. Schon funkelt auch das „kleine bisschen Glück“ des fantasiebefeuerten deutschen Films dazwischen – irgendwo, irgendwie, irgendwann.

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