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Das Filmplakat zum Thriller.

© Verleih

Terror-Actionfilm kommt nicht ins Kino: Dschihad auf der Leinwand

Realer und fiktiver Terror: Der Filmstart des Thrillers "Made in France" wurde auf unbestimmte Zeit verschoben - und das schon zum zweiten Mal.

Auf „Made in France“ liegt kein Segen. Schon zu Jahresbeginn sollte der Terror-Thriller in Frankreich ins Kino kommen, da machte der Anschlag auf „Charlie Hebdo“ die Hoffnungen des Verleihs zunichte. Nun war der Start des Films, der auf Plakaten in der Métro mit einem Kalaschnikow-Eiffelturm beworben wird, ausgerechnet auf diesen Mittwoch festgesetzt. Nach den Anschlägen vom Wochenende aber wurden die Plakate eilig überklebt, und auf den Branchenwebseiten läuft der Starttermin jetzt unter dem sehr weichen Terminus „demnächst“.

Demnächst? Nicht nur abergläubische Zeitgenossen, die mit einer weiteren konkreten Ankündigung des Films nun erst recht die Heraufbeschwörung neuer Terrorakte verbinden mögen, wünschen sich derzeit ein Innehalten bei den Bombardements der Thrillerindustrie. Da mag auch „Made in France“, abgedreht bereits 2014 vom genreerfahrenen Nicolas Boukhrief, noch so „unzweideutig in seiner Message“ sein, wie der Verleih Pretty Pictures betont. Held des Films ist ein muslimischer (!) Journalist, der sich in eine vierköpfige Dschihadistenzelle in der Banlieue einschleicht, um einen Anschlag in Paris zu vereiteln.

Andererseits sind Zweifel erlaubt, ob die unterhaltungsbedürftige Masse angesichts des fundamentalen Schreckens zumindest akuten Gewaltüberdruss empfindet. Die Quoten für den jüngsten „Tatort“ mit in Schwefelsäure aufgelösten Schauerleichen waren ordentlich, und im Kino feiert „Spectre“, der neue Bond, in dem gleich zu Beginn eine Massenpanikszene minutenlang die Zuschauer fesselt, auch am zweiten Wochenende beste Zahlen.

Optimistisch betrachtet: Vielleicht neutralisiert der neuzeitliche Mensch realen Horror ja am besten mit fiktivem Gemetzel – unter dem Motto: ist ja alles nur beruhigend erfunden. Oder ist er, kulturpessimistisch gekontert, bereits derart an perfekt ausgemalte computergenerierte Schreckensszenarien gewöhnt, dass die bloße Vorstellung der realen Hinrichtungen am Freitag im Pariser Konzertsaal Bataclan gegenüber der Sucht nach visuellem Grusel zwangsläufig verblasst?

Manche allerdings, viele in diesen Tagen, verzichten bewusst auf derlei Ablenkungsstrategien. Sie lassen den Fernsehkrimi Fernsehkrimi sein und das Thrillerkino das Thrillerkino und versuchen, die aktuellen Bilder im Kopf ohne Ersatzbetäubung auszuhalten. Sie üben sich in die neue Realität ein, und die ist schlimm genug. Dabei zusammenzurücken im Gespräch zum Beispiel? Kann nicht schaden.

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