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Dem Himmel nahe. Das Deckengemälde im Audienzgemach des Dresdner Schlosses wurde nach Farbdias der frühen 1940er Jahre ausgemalt.

© epd/Matthias Rietschel

Paraderäume des Residenzschlosses: Dresdens Goldglanz erstrahlt nach Restauration wieder

Einst sollten sie Könige beeindrucken. Nun sind die Paraderäume der Dresdner Residenz restauriert worden. Und lassen Besucher staunen.

August, als sächsischer Kurfürst mit Namen Friedrich August I., als polnischer König August II., trug bereits zu Lebzeiten den Beinamen „der Starke“. Zum Beweis ließ er eine Urkunde über seine Muskelkraft ausstellen, mit der er ein Hufeisen in zwei Teile zerbrach. Das Hufeisen ist nun in der Dresdner Residenz ausgestellt.

Ob es von minderer Qualität ist, wie schon Zeitgenossen munkelten, entzieht sich der Kenntnis der Kuratoren. Wie es gar um die angeblich 354 Kinder bestellt ist, die dem Herrscher mit seinen zahlreichen Mätressen angedichtet wurden, bleibt vollends im Dunkeln. Die Zahl gilt heute als reine Legende.

Wahrhaft als Potentat hingegen erwies sich August in seiner Prachtentfaltung. Die von heute an geöffneten Paraderäume im Dresdner Residenzschloss, die im Laufe der vergangenen drei Jahre so originalgetreu wie nur irgend möglich rekonstruiert wurden, sind schlichtweg überwältigend. August ließ an Gold und Geschmeiden, an Geweben und Gemaltem auffahren, was die Herrscherkollegen in ganz Europa beeindrucken sollte.

Den passenden Anlass bot die Heirat seines Sohnes und späteren Nachfolgers auf beiden Thronen, als polnischer König August III., mit Maria Josepha, der Tochter des habsburgischen Kaisers des Alten Reichs, innerhalb dessen August Kurfürst und damit einer der Mächtigsten war.

Vor genau 300 Jahren, im September 1719, fand die Hochzeit statt. Sie zog sich über einen ganzen Monat in fein abgestuftem Zeremoniell hin, währenddessen den auswärtigen Gästen ausgiebig vorgeführt wurde, wie „stark“ der Gastgeber war – und vor allem: sich fühlte.

Karten für Erstbesuch ausverkauft

Das Dresdner Residenzschloss, so formulierte es die ressortzuständige Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva-Maria Stange, diene der „Identifikation mit der sächsischen Geschichte“.

Sie sagte es nicht etwa auftrumpfend ob des Aufwandes, den der Freistaat Sachsen nun schon seit 22 Jahren mit dem Wiederaufbau betreibt, sondern mit Bedacht: als Dresdner Bürgerin, die die DDR erlebt hat, in der die Wiedergeburt des kriegszerstörten Schlosses nur eine ferne Hoffnung bleiben konnte. Dass die Zeitkarten für den Erstbesuch seit Wochen ausgebucht sind, unterstreicht die enge Beziehung, die die Bürger Sachsens zu ihrer politisch nicht immer, kulturell jedoch durchweg glanzvollen Geschichte pflegen.

[Dresden, Schloss, Di-So 10-18 Uhr. Begleitheft (Dresdener Kunstblätter 4/2019) 5 €. – Weiteres unter www.skd.museum]

Fünf Räume im zweiten Obergeschoss der Residenz wurden rekonstruiert, vier weitere für museale Präsentation ausgerüstet, dazu kommen zwei Turmzimmer an den Ecken, die eher nur als Ausguck dienen – alles in allem gut eintausend Quadratmeter Schloss.

Das ist noch immer nicht zur Gänze fertig, es soll bis 2023 geschehen. Und wer einen Blick in den noch von Autos und Baumaterial zugestellten Großen Schlosshof wirft, dessen umlaufende Fassaden schon fast vollständig in Formen der Renaissance wiederhergestellt sind, wird die Vollendung kaum erwarten können. Dabei hat der Kraftakt des Wiederaufbaus seit dem Regierungsbeschluss 1997 gerade einmal 380 Millionen Euro (Landes-)Mittel gekostet – das allein schon ist aus leidvoller Berliner Sicht ein Wunder.

Allein der Krönungsmantel ist 16 Meter lang und handgewebt

August der Starke hat sich um Kosten nicht sonderlich geschert, das lässt sich beim staunenden Rundgang durch seine Repräsentationsräume erkennen. Und mit einem Mal steht er leibhaftig vor einem.

In einem weiteren Raum als Figurine, die mit Ornat und Insignien der Krönung zum polnischen König 1697 ausstaffiert ist und tatsächlich das echte Gesicht Augusts trägt, das nach einer 1704 abgenommenen Wachsmaske geformt ist. Die überaus kostbaren Kleidungsstücke freilich sind Repliken, wenn auch in alter Technik gefertigt.

So wurden allein für den Krönungsmantel 16 Meter blauer Samtbrokat handgewebt. Der Begriff der „fadengenauen Rekonstruktion“, der für die Paraderäume insgesamt verwendet wird, hat in den umfangreichen Textilien, etwa den goldfadendurchwirkten Bezügen des riesigen Schlafzimmers, seinen Ursprung.

Fotografien waren wesentlich für die Rekonstruktion

Die erhaltenen Originale werden in Vitrinen verwahrt. Zum Glück war das mobile Inventar des Schlosses rechtzeitig ausgelagert worden. Möbel, Porzellane, Wandteppiche kehren jetzt an ihre angestammten Plätze zurück, dazu eine ganze Anzahl von Gemälden des aus Frankreich gewonnenen Hofmalers Louis de Silvestre aus der Gemäldegalerie Alte Meister.

Sogar die Deckengemälde in den beiden Haupträumen konnten rekonstruiert werden – ein Dutzend Maler war beteiligt, die im Feuersturm des Februar 1945 vernichteten Originale nach den Farbdias neu zu schaffen, die während des Zweiten Weltkriegs in Vorahnung der Zerstörung angefertigt worden waren.

Fotografien waren überhaupt wesentlich für die Rekonstruktion, denn aus ihnen lassen sich mit heutigen Computerprogrammen bis ins Detail exakte Pläne und Modelle des Vergangenen gewinnen.

Das Residenzschloss verbindet Alt und Neu

Das ist die Besonderheit des Residenzschlosses als Museum: dass die Originale, die in einer in ganz Europa nicht vergleichbaren Anzahl und Vollständigkeit erhalten sind und Auskunft geben über das Gepränge des absolutistischen Hofes, museal präsentiert werden, während zugleich diejenigen Räume, die eine gesicherte Rekonstruktion erlauben, eben das Bild der Vergangenheit in aller Vollständigkeit wachrufen.

Nirgends lässt das Residenzschloss Zweifel an seinem wechselvollen Schicksal, seiner nahezu vollständigen Zerstörung. Aber nicht, indem es unentwegt Wunden vorführt, sondern indem es Alt und Neu zusammenbindet. Wer hinschaut, erkennt überall in den Paraderäumen Brüche und Fragmente: dort, wo Bewahrtes und Rekonstruiertes etwa bei Stoffen und Spiegeln aufeinanderstoßen. Das Kontinuum der Geschichte entsteht im Kopf des Betrachters. Im staunenden Sehen setzt das Nachdenken ein.

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