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Tanz bei Hofe. Prunkvolle Kostüme für Prinz und Prinzessin.

© Yan Revazov

„Dornröschen“-Ballett an der Deutschen Oper: Die böse Fee fetzt über die Bühne

Im dritten Anlauf: Das Staatsballett tanzt fulminant Marcia Haydées „Dornröschen“. Ein Schwelgen in Samt, Seide und Strass.

Von Sandra Luzina

Noch bevor sich der Vorhang hebt, eilt eine Gestalt in wehendem Kapuzenmantel an die Rampe der Deutschen Oper und wirft dem Publikum einen maliziösen Blick zu. Dinu Tamazlacaru verkörpert in „Dornröschen“ die böse Fee Carabosse. Er ist der Star in Marcia Haydées Neuinszenierung. Im April feierte Haydée, die ehemalige Ballerina und langjährige Direktorin des Stuttgarter Balletts, ihren 85. Geburtstag.

Mit dem Staatsballett Berlin hat sie nun ihre Fassung von „Dornröschen“ einstudiert. Die ist nicht eben taufrisch, aber sehr erfolgreich. Haydée hat sie 1987 für Stuttgart entworfen; wo der Klassiker heute noch eines der beliebtesten Handlungsballette im Repertoire ist. Compagnien aus aller Welt haben ihre Fassung übernommen.

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Beim Staatsballett hat es erst im dritten Anlauf geklappt – eingefädelt noch von Johannes Öhmann, der die Compagnie schon nach kurzer Zeit verließ. Die für Februar 2020 geplante Premiere musste verschoben werden, weil die Kostüme nicht rechtzeitig fertig waren. Die Finanzierung der aufwändigen Ausstattung musste außerdem noch gestemmt werden. Und dann kam Corona.

Das Ballett betört auch durch die Opulenz des Dekors

„Dornröschen“ ist nicht nur ein Fest der Tanzkunst; das Ballett betört auch durch die Opulenz des Dekors. Jordi Roig, der Bühnenbild und Kostüme entworfen hat, schwelgt in Samt, Seide und Strass. Das Königspaar samt Hofstaat stolziert hier durch einen prunkvollen Palast mit Freitreppen und Balustraden, die mit Girlanden geschmückt sind.

Rosen kommen hier in allen Varianten vor. Haydée orientiert sich stark an der tradierten Choreografie von Marius Petipa, setzt aber eigene Akzente. Im Zentrum ihrer Inszenierung steht der Kampf von Fliederfee und Carabosse, die den Kampf von Gut und Böse personifizieren.

Die böse Fee erinnert an eine Figur aus dem Kabuki-Theater

Die Fee Carabosse wurde nicht zur Taufe der Prinzessin Aurora eingeladen – aufgebracht spricht sie einen Fluch über das Kind aus. Haydée hat die Rolle der Carabosse stark aufgewertet. Die böse Fee ist bei ihr keine hässliche alte Hexe, sondern erinnert mit den langen schwarzen Haaren und dem schwarzem Gewand an eine Figur aus dem japanischen Kabuki-Theater. Und sie tanzt!

Dinu Tamazlacaru schlägt die Zuschauer in den Bann als dämonische Diva. Der Moldawier begeistert nicht nur mit hohen Sprüngen. Er wirbelt und wütet über die Bühne in ungeheuer expressiven Bewegungen – und treibt die Hofgesellschaft vor sich her.

Der Fliederfee sind Superkräfte verliehen

Elisa Carrillo Cabrera tritt Carabosse resolut entgegen – sie ist eine Fliederfee, die über Superkräfte verfügt. In einem Zwischenakt sieht man, wie sie die heranwachsende Prinzessin behütet, während die gekränkte Carabosse auf Rache sinnt.

Polina Semionova brilliert als Prinzession Aurora. Mit ihrer makellosen Linienführung und Musikalität ist sie eine herausragende Interpretin des Petipa-Stils. Marcia Haydée hat auch den vier Prinzen, die um Aurora werben, mehr zu tanzen gegeben. Sie gewinnen an Kontur. Überhaupt fällt auf, dass das Staatsballett über viele talentierte Männer verfügt. Alexandre Cagnat verkörpert den Prinzen Desiré mit Eleganz. Als ihm eine Vision von Aurora erscheint und er die schlummernde Schöne endlich wachküsst, ist das einer der Höhepunkte des Abends.

[Deutsche Oper: 18./19. und 28.5., jeweils 19.30 Uhr, und im Juni]

Die dreistündige Inszenierung zieht sich in die Länge. Das Divertissement im dritten Akt mit dem Auftritt von lauter Märchenfiguren bietet hübsche Miniaturen. Den vier Ballerinen, die als Edelsteine glänzen, hat Haydée Ali Baba an die Seite gestellt, dem Murilo de Oliveira seine phänomenale Sprungkraft leiht. Am Ende wird Hochzeit gefeiert – aber das Böse lauert immer noch.

Großer Jubel für Marcia Haydée - das Ensemble in Hochform

Das Staatsballett Berlin hat schon diverse Versionen von „Dornröschen“ getanzt, die sich meist nicht lang im Repertoire hielten. Eine Neuinterpretation ist Haydées Version nicht. Aber die Zusammenarbeit mit der Tanzikone hat den Tänzer:innen gut getan. Das Ensemble läuft bei der Premiere zur Hochform auf. Marcia Haydée reckte beide Daumen in die Höhe, als sie am Ende die Bühne betrat. Großer Jubel.

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