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Ronnie Wood beim „Üben“ an der Gitarre. Zur Entspannung zieht er sich zum Malen in sein Atelier zurück.

© Andy Muggleton/ Eagle Rock Films

„Somebody Up There Likes Me“: Doku zeigt die warme Seite des „Rolling Stones“-Gitarristen

Der Dokumentarfilm erzählt von den Höhen und Tiefen im Leben von Ronnie Wood. Regisseur Mike Figgis holt etliche von Woods Weggefährten vor die Kamera.

50 Jahre lang hat dieser Mensch geraucht, 20 bis 30 Zigaretten am Tag. Was kam, war unvermeidlich: Lungenkrebs. Doch die Operation verlief bestens, eine Folgeerkrankung in der Lunge, ein sogenanntes Emphysem, haben die Ärzte gleich mit behoben. Jetzt ist die Lunge so gut wie neu. „Was für eine Sie-kommen-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte!“, sagt Ronnie Wood. „Da oben muss mich jemand mögen.“

So heißt auch der Dokumentarfilm über den Stones-Gitarristen, der nun in die Kinos kommt: „Somebody Up There Likes Me“. Wenn man in das Gesicht des gebürtigen Londoners schaut, der vor einem Monat 73 Jahre alt geworden ist, meint man dort jede Zigarette ablesen zu können, die er im Laufe seines Lebens gequalmt hat. Zum Wohle der britischen Zigarettenindustrie, wie er sagt.

Seine Züge sind zerklüftet, an den Wangen fällt die Haut in tiefe Schluchten. Doch die dunklen Augen strahlen immer noch eine unbändige Lebensfreude aus.

„In meinem Kopf bin ich nie über 29 hinausgekommen“, meint Wood. Jugendlich wirkt auch sein voller Haarschopf, den er seit Ewigkeiten in jener Ananas-Frisur trägt, die er und Rod Stewart, sein Kumpel und ehemaliger Bandkollege bei den Faces, gewissermaßen patentiert haben.

Regisseur Mike Figgis holt für den Dokumentarfilm etliche von Woods Weggefährten vor die Kamera: Stewart, Mick Jagger, Keith Richards, aber auch den Konzeptkünstler Damien Hirst, der in dem Gitarristen spät die Lust auf die Malerei weckte. Figgis steigt mit Aufnahmen aus dem Atelier ein: Ronnie Wood führt Stift und Pinsel, bevor zum ersten Mal eine Gitarre im Bild aufgetaucht ist.

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Der Regisseur, 1995 mit dem Trinkerdrama „Leaving Las Vegas“ berühmt geworden, unterläuft alle Erwartungen an einen Dokumentarfilm über einen Musiker, der seit 45 Jahren bei den Rolling Stones spielt. Sein Film kehrt immer wieder in dieses Atelier zurück, zu der Ruhe, die einen scharfen Kontrast zum Trubel des Rockstar-Lebens bildet.

Wood sitzt vor unverputzten Wänden, deren Risse wie eine Verlängerung seiner Falten wirken. Oft zeigt Figgis ihn im Profil, damit seine gewaltige Nase erst richtig zur Geltung kommt. Der Regisseur zeichnet ein wohlmeinendes Bild von Wood.

Er filmt ihn in warmen, freundlichen Farben, die Gesprächspartner haben nur Gutes über ihn zu erzählen, über seine Liebenswürdigkeit und die positive Energie, die er ausstrahle. Doch „Somebody Up There Likes Me“ mutet dennoch nicht wie eine Hagiografie an, dafür sorgen schon die vielen Tiefen, die Wood im Laufe seiner Karriere durchschritten hat.

Wood erzählt mit Witz

Figgis bemüht sich, die biografische Chronologie aufzulockern. Er selbst tritt als patenter Interviewpartner in Erscheinung, man spürt, dass sich die Menschen mit ihm wohlfühlen. Wood muss Spielkarten ziehen, die die Gesprächsthemen vorgeben. Beim Wort „Desaster" spricht er über seine erste Liebe, die bei einem Autounfall ums Leben kam.

Angesichts all der Alkohol- und Drogenexzesse, die sein Leben begleitet haben, kann sich Wood, der mehrere Aufenthalte in Entzugskliniken hinter sich hat, an erstaunlich viele Details erinnern. Etwa wie sein Vater, ebenfalls Alkoholiker, auf dem Heimweg vom Pub im ärmlichen Londoner Norden mit Vorliebe in den Kohlköpfen der Nachbarn schlief. Wood erzählt mit Witz, Timing und einer wunderbar knarrigen Stimme, die jedoch nie kraftvoll genug war, um aus ihm einen eindrucksvollen Sänger zu machen.

Gitarrenspiel mit Wucht

Auch das führt „Somebody Up There Likes Me“ vor Augen und Ohren, er gibt den Songs seines Lebens den nötigen Raum. Meist sieht man Wood auf der Bühne, mit der Jeff Beck Group, den Faces und natürlich den Stones. Man könnte auch sagen: im langen Schatten von noch Größeren.

Doch wenn er allein im Studio sitzt, die Steel-Guitar auf dem Schoß, und „noch ein bisschen übt“, wie er es nennt, dann entfaltet sein Spiel eine Wucht, die man im engmaschig gewobenen Doppel-Gitarrensound der Stones schnell überhört.

„Somebody Up There Likes Me“ widmet Ronnie Woods Leben knapp 75 vollgepackte Filmminuten, in denen der ewige wingman mit der Ananas-Frisur aus dem Schatten heraustreten darf. Es sei ihm gegönnt.
In den Kinos b-ware!Ladenkino, Babylon Kreuzberg , FT am Friedrichshain, Xenon (alle OmU), Kant

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