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Das inklusive Theater Thikwa zeigte einen Auschnitt aus dem Stück „Merkel“.

© Museum für Kommunikation/ David Baltzer

„Diskurs Salon“ : Barrieren im Kulturbetrieb überwinden

Das Museum für Kommunikation lud unter dem Titel „Macht – Strong enough“ zur dritten Ausgabe der Programmreihe „Diskurs-Salon“.

Angela Merkel ist zurück. Gleich sechsfach. Der markante Blazer wird von den Wiedergänger:innen in den Farben blassrosa bis dackelbraun aufgetragen, die Haltung ist vertraut stocksteif, die Mimik angemessen leer. Bald beginnen die aufgereihten Merkels, Privatanekdoten aus der aktiven Zeit zum Besten zu geben: Wie sie in einer Boy-Band mit Christian Wulff, Friedrich Merz oder Edmund Stoiber gespielt haben.

Oder wie das damals in dieser Wohngemeinschaft mit Karl-Theodor zu Guttenberg war, der irgendwie genervt hat. Die Lösung lautete: Einfach abwarten, bis er sich von selbst unwohl fühlt und auszieht. Hat dann auch nur zwei Jahre gedauert. Kurzum: Hier ist ein Stück geglückter Verwandlungskunst zu erleben. Und ein Akt der Selbstermächtigung. Wir sind Staatsoberhäuptin!

„Merkel“ heißt die Performance, die das Kollektiv Hannsjana zusammen mit Spieler:innen des inklusiven Theaters Thikwa erarbeitet hat, uraufgeführt im Bundestagswahljahr 2021. Jetzt wird sie in Auszügen wieder gespielt, im Café Dallmayr des Museums für Kommunikation an der Leipziger Straße.

Macht als Frage von Teilhabe und Repräsentation

Was in mehrfacher Hinsicht Grund und Sinn hat. Zum einen passt das Ex-Kanzlerinnen-Spiel irgendwie prima zum Retro-Klima der gerade laufenden Berliner Koalitionsverhandlungen. Zum anderen hat dieses Theater mit einem Thema zu tun, das sich in der aktuellen Ausstellung des Hauses, „Streit. Eine Annäherung“, spiegelt – nämlich Macht. Und die ist ja bekanntlich stets auch eine Frage von Teilhabe und Repräsentation.

Das Museum für Kommunikation hat unter dem Titel „Macht – Strong enough“ zur dritten Ausgabe der Programmreihe „Diskurs-Salon“ eingeladen. Beim Podiumsgespräch nach der Performance diskutieren hannsjana-Mitgründerin Laura Besch (die ab Sommer Co-Leiterin des Theaters Thikwa wird), Thikwa-Ensemblemitglied Rudina Bejtuli und die Rechtsanwältin Anna Luczak über Barrieren und ihre Überwindung.

Anna Luczak hat in einem jahrelangen Kampf vor dem Bundesverfassungsgericht erwirkt, dass Menschen mit Betreuungsbedarf nicht länger vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Wovon rund 85.000 Personen in Deutschland bis 2019 betroffen waren. Was dem Song „Strong Enough“ von Cher, den die Performer:innen in einem schönen Karaoke-Moment in „Merkel“ anstimmen, den eigentlichen Hall des Empowerments verleiht. Was die fünf Kläger:innen mit Beeinträchtigung einte, die Anna Luczak stellvertretend für viele vor Gericht vertreten hat, war „ein Gefühl von Ungerechtigkeit“, erzählt sie.

Durchblick im Polit-Quiz

Warum dürfen alle wählen – nur sie nicht? Zumal sogenannte Behinderungen politischem Scharfblick nicht im Wege stehen. Einer der Kläger habe 2021 nach Ansicht der „Quiz-Shows“ mit den Kanzler-Kandidat:innen im Fernsehen über Armin Laschet gesagt: „Dieser Junge ist nicht ganz sicher“. Treffer.

Die Frage, wer eigentlich als vollwertiger Teil der Gesellschaft gilt, und wer nicht, wird auch in der exzellent kuratierten Ausstellung „Streit. Eine Annäherung“ (noch bis zum 27. August) aufgegriffen, die nach den klassischen Kontroverse-Themen Geld, Kunst, Liebe und eben Macht aufgeteilt ist. Im Macht-Bereich wird unter anderem ein Stück Demokratie erzählt.

Von der Paulskirche 1848, dieser leuchtenden Versammlung, bei der Frauen nur als Zuschauer:innen erwünscht waren, über einen denkwürdigen Shitstorm aus dem Jahr 1970: Die Sozialdemokratin Lenelotte von Bothmer hatte es gewagt, das Parlament im Hosenanzug zu betreten, woraufhin ein CSU-Mitglied ihr das Rederecht verweigern will. Eine anonyme Hassnachricht aus der Vor-Twitter-Zeit schreit ihr hinterher: „Ein unanständiges, würdeloses Weib! Armes Deutschland, so tief bist Du gesunken mit den roten Parteiweibern. Pfui, Bodmer!!!! PFUI!!!!“.

Gut, zumindest der radikal-konservative Kleiderfuror hatte sich zur Zeit der Merkel-Kanzlerinnenschaft dann doch beruhigt. Aber wie viel gesellschaftlichen Fortschritt wir heute tatsächlich zu feiern haben, das stellt dieser Diskurs-Salon im Museum für Kommunikation auf kluge Weise und mit starken Protagonist:innen zu recht zur Debatte.

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