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Zum zweiten Mal bei der Berlinale: Regisseur Dieudo Hamadi

© Berlinale

Dieudo Hamadi auf der Berlinale: Die rennende Kamera

Preisträger der Tagesspiegel-Leserjury 2017: Der Regisseur aus der Demokratischen Republik Kongo, Dieudo Hamadi, und sein Film „Kinshasa Makambo“.

Eine Gruppe junger Menschen steht zusammen. Sie protestiert friedlich, einzelne Akteure halten Ansprachen – plötzlich geht ein Ruck durch die Menge, sie rennt los. Eine Kamera ist die ganze Zeit dabei, rennt mit, zittert, kommt wieder zum Stillstand – und mit ihr der Mann dahinter. Es ist Dieudo Hamadi, Regisseur aus der Demokratischen Republik Kongo. Bereits im letzten Jahr war er auf der Berlinale mit „Maman Colonelle“, für den er den Preis der Tagesspiegel-Leserjury gewann. Dieses Jahr ist „Kinshasa Makambo“ im Panorama zu sehen, eine Dokumentation über Aktivisten, die 2015 gegen die dritte Wiederwahl des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila demonstriert und dafür ihre Freiheit, sogar ihr Leben riskiert haben.

„Es gibt so viele Menschen, die kämpfen, viele von ihnen sterben und werden vergessen. Mir war es wichtig, an sie zu erinnern“, sagt er im Gespräch. Die Gefahr, der er sich beim Dreh ausgesetzt habe, sei ihm erst beim Schneiden des Films bewusst geworden. „Aber jeder Musiker, Journalist, Künstler, der sich kritisch mit der Politik des Landes auseinandersetzt, gefährdet sich.“ Für ihn sei immer klar gewesen, dass er selbst Mitglied der Aktivistengruppe werden müsse, um den Film richtig machen zu können. Tatsächlich hat er sich, sagt er, eher schuldig gefühlt, weil er ohne den Dreh wahrscheinlich nicht den Mut aufgebracht hätte, bei den Protesten dabei zu sein. „Ich kam mir ziemlich feige vor“, fügt er in sanftem Französisch hinzu.

Völlig unberechtigt, wie seine Werke beweisen. Schon in „Maman Colonelle“ – eine Dokumentation über die kongolesische Polizistin Honorine Munyole, die sich dem Schutz von Frauen und Kindern verschrieben hat – nähert sich Hamadi einem sensiblen Thema. Zeigt Menschen, die Fehler im politischen System beweisen: vergewaltigte Frauen, vernachlässigte Kinder, denen Zauberei nachgesagt wird. Honorine Munyole scheint die Einzige zu sein, die sich für sie interessiert. Sie und Hamadi.

Die nächste Doku ist schon in Arbeit

1984 im kongolesischen Kisangani geboren, begann er zunächst Medizin zu studieren, entdeckte aber schnell die Kraft des Films. Als Editor bearbeitete er Musikclips, was ihn aber nicht befriedigte. „Ich war davon schnell frustriert. Kinofilme bieten sehr viel mehr Freiheit, also wechselte ich das Fach“, erzählt er. Eine Filmindustrie oder gar -förderung existiert im Kongo nicht, also zog er einfach mit der Kamera los. Inzwischen kann er vom Filmemachen leben. Die Dokumentation ist dabei sein bevorzugtes Genre. Seine Protagonisten zeigt er pur, ohne Erklärstimme aus dem Off, weil er nicht gerne Kommentare schreibt. Wie er es schafft, dass sie sich ihm öffnen, weiß er nicht genau. „Ich behandle sie normal, nicht mitleidig, und sage ganz klar, wie ich mir den Film vorstelle“, so sein Versuch einer Erklärung.

Als Hauptfigur für „Kinshasa Makambo“ hatte er zunächst den Aktivisten Ben vorgesehen, der jedoch wegen seiner Proteste ins New Yorker Exil fliehen musste. Deswegen setzt er seine Mitstreiter Jean-Marie und Christian in den Vordergrund. In den zwei Jahren Drehzeit kehrte Ben aus dem Exil und damit auch in den Film zurück. Den friedlichen Machtwechsel im Kongo, der durch eine demokratische Wahl herbeigeführt werden sollte und den Hamadi dokumentieren wollte, hat es bis heute nicht gegeben. Etienne Tshisekedi, Hoffnungsträger der Opposition, stirbt während der Dreharbeiten, Kabila bleibt Präsident. Für Hamadi ist das Thema – zumindest filmisch – vorerst trotzdem abgeschlossen. „Ich habe meinen Teil getan und hoffe, dass mein Film den Menschen vor Ort ein wenig hilft“, sagt er. Die nächste Doku ist schon in Arbeit. Sie wird sich um die Kriegsopfer in Kisangani drehen, Menschen, die Arme oder Beine verloren haben und ebenfalls vergessen sind. Auch einen Spielfilm möchte er demnächst drehen, ob seine Kamera dabei auch rennen muss, wird sich zeigen.24.2., 22.30 Uhr (Cinestar 7)

Sarah Kugler

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