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Daniil Trifonov

© Dario Acosta/DG

Daniil Trifonov und die Staatskapelle Berlin: Die Würde des Spiels

Rachmaninows 3. Klavierkonzert ist als Knochen- und Seelenbrecher dämonisiert. Daniil Trifonov entlockt ihm keine einfachen Antworten.

Kunst ist, wenn etwas auch grandios scheitern kann, sich alle Annahmen als haltlos erweisen, der totale Absturz droht. In den großen Solistenkonzerten ist dieses elementare Erlebnis domestiziert worden, als Vehikel für die Brillanz und Überlegenheit eines Musikers, der ursprünglich nicht selten auch Komponist des Werkes war. Und nicht selten nistet sich so eine zirzensische Stimmung im Konzertsaal ein, und man meint, die Hitze der brennenden Reifen zu spüren, durch die der Solist gleich springen wird.

Daniil Trifonov wird mit gerade mal 25 Jahren als neuer Stern am Pianistenhimmel gefeiert, doch er ist viel mehr: ein eminenter Musiker, der dem Solistenauftritt eine ernste und zugleich spielerische Würde schenkt. Sergej Rachmaninovs als Knochen- und Seelenbrecher dämonisiertes 3. Klavierkonzert entlockt er keine einfachen Antworten, kein seichtes Sentiment. Unter Trifonovs Händen darf sich die ungeheure Heterogenität, die die Musik vor gut 100 Jahren prägte, auch entfalten, ohne Abkürzungen durch die vermeintliche russische Seele oder spätromantische Simplifizierungen. Sein Spiel ist aufregend, ohne nach Aufmerksamkeit zu heischen, und voller Hingabe, die den Blick nicht trüben will. Dass Trifonov dabei auch spieltechnisch jede Hürde nimmt, tritt komplett in den Hintergrund – und das will in der monströsen Kadenz am Ende des ersten Satzes etwas heißen.

Mit Pablo Heras-Casado und der Staatskapelle Berlin trifft Trifonov in der Philharmonie auf Geistesverwandte. Der spanische Dirigent befreit das Klangbild von Weichzeichnereffekten und riskiert sogar, dass Orchester und Solist sich zeitweise in ganz unterschiedlichen Klangräumen bewegen. Das geht in seiner Konsequenz weit tiefer zu Herzen als jeder Cinemascope-Sound.

Nach der Pause klatschen und skandieren sich die Musiker nach Spanien, Kastagnetten wirbeln und die Sopranistin Ruth Iniesta warnt hüftenschwenkend vor dem Erwachen des Teufels: Auf den Pulten liegt die Ballettmusik von Manuel de Fallas „El sombrero de tres picos“. Die Provinzposse um den alternden Statthalter, die junge Müllersfrau und ihren ebenso eifersüchtigen wie schlauen Mann taucht Heras-Casado in helles Licht mit umso schärferem Schattenwurf. Der rhythmische Drang triumphiert über die Delikatesse der Klangfarben. Ein doch etwas zu eindeutiger Sieg.

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