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Huch, das sind ja nur sechs? Liz Vliegenthart, Christoph Ulleweit, Paula Isabel Glamann, Otto Brink, Christine Jung und Nina Müller (v.l.) beim Warming-up. Nummer sieben, Torben Schäfer, steckte beim Fototermin leider im Stau.

© David Heerde für den Tagesspiegel

Die Tagesspiegel-Leserjury: 1721 Minuten Berlinale

Aus 15 Filmen der Sektion Encounters wählt die Tagesspiegel-Leserjury ihren Gewinnerfilm aus. Ein Gruppenfoto der Filmhungrigen, die sich ab Donnerstag in den Festivaldschungel stürzen.

Das Anspruchsvollste bei der Jury-Arbeit ist das Zuhören, sagt Carlo Chatrian, der Künstlerische Leiter der Berlinale. „Und zwar dem, was die anderen Mitglieder zu sagen haben.“

Chatrian ist zum Warming-up der diesjährigen Tagesspiegel-Leserjury ins Redaktionshaus am Askanischen Platz gekommen. Dort gibt er einen Überblick über die 15 Filme der Encounters-Sektion, aus denen die Jury am Ende ihren Gewinnerfilm kürt.

Die meisten der sieben Jurorinnen und Juroren besuchen das Festival nicht zum ersten Mal. Allein Torben Schläger, Alumni der Film-Uni Babelsberg im Fach Medienwissenschaften, hat es bisher nur auf andere Filmfestivals geschafft. Christine Jung, gebürtige Ostberlinerin, kann mit ihren 77 Jahren sogar auf über 50 Berlinale-Jahrgänge zurückblicken.

Das ist Rekord bei den Leserjurys des Tagesspiegels, die 2007 ins Leben gerufen wurde. Die Mathematikerin und Psychologin hat die Zeiten erlebt, in denen man noch nicht stundenlang am Ticketcounter Schlange stehen musste. Geschweige denn, dass sie sich wie heute fürs Online-Ticketing den Handywecker stellt. „Früher konnte man einfach am Kino vorbeigehen und gucken, ob es Karten gibt. Am Nachmittag klappte es oft. Einfach so. Und das im Wettbewerb!“, erinnert sich Jung an einen Zoopalast-Besuch im Juni 1973. Ja, damals fand die Berlinale noch im Sommer statt.

1721
Minuten verbringt unsere Jury im Kino, um alle Encounters-Filme zu sehen.

Zu den 15 Encounters-Beiträgen zählen Spielfilme, Dokumentarisches und einiges dazwischen – „Filme, die nicht so leicht einordnen lassen“, sagt Carlo Chatrian. Das mache die Sektion so besonders; der Fokus liegt weniger auf dem Plot als auf den Handschriften der Filmemacher und Filmemacherinnen. Bleibt zu hoffen, dass sie kein Faible für Horrorfilme haben.

Historikerin Paula Isabel Glamann schaut bei Gewaltszenen jedenfalls lieber weg, auch die 26-jährige Niederländerin Liz Vliegenthart, die seit drei Jahren in Berlin lebt, fürchtet sich nicht gerne: „Angst haben macht mir keinen Spaß.“ Zum Glück ist auch Nina Müller dabei. Sollten andere die Augen verschließen, kann sie hinterher von womöglich drastischen Szenen berichten; ihr Lieblingsfilm ist „Fight Club“. Müller gesteht, dass sie sich auch von ihrem 13-jährigen Sohn für viele Filme begeistern lässt, die sie alleine niemals angeschaut hätte: „Inzwischen bin ich Marvel-Fan“.

Mehr Einigkeit herrscht bei Filmen, die die Jurymitglieder kürzlich gesehen haben. Unangefochtene Doppelspitze bei den Favoriten: die Science-Fiction-Komödie „Poor Things“ und das Wim Wenders Drama „Perfect Days“ über einen Toilettenmann. Bei Letzterem musste Filmlehrer Christoph Ulleweit, Fan des unabhängigen Kinos, sogar weinen; „Kōji Yakusho spielt einfach ganz hervorragend“.

Mindestens 1.721 Minuten (fast 29 Stunden) werden die sieben in den nächsten Tagen im Kino verbringen – und bestimmt noch ein paar Filme der anderen Reihen mitnehmen. „Ich freue mich total, so viele Filme sehen zu dürfen. Normalerweise reicht es finanziell und zeitlich immer nur für ein bis zwei Kinobesuche pro Berlinale“, sagt der 25-jährige Otto Valentin Brink. Demnächst will er sich an Filmhochschulen bewerben.

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