zum Hauptinhalt
Was es mit der nachlassenden Coolness und dem Ende des Berlin-Hypes auf sich hat, will man dann doch einmal überprüfen. Am besten auf der Kastanienallee in Prenzlauer Berg – oder noch besser, auf der von ihr abgehenden Oderberger Straße.

© imago

Die Oderberger Straße in Prenzlauer Berg: Glück durch Kapitalismus

Berlin soll also uncooler werden, ein Abebben des Berlin-Hypes soll in Sicht sein. Wo ließe sich das besser überprüfen als in Prenzlauer Berg? Hier hat sich, neben der Kastanienallee, schon die Oderberger Straße von cool zu Easyjetset entwickelt. Ein Streifzug.

Was es mit der nachlassenden Coolness und dem Ende des Berlin-Hypes auf sich hat, will man dann doch einmal überprüfen. Am besten auf der Kastanienallee in Prenzlauer Berg – oder noch besser, auf der von ihr abgehenden Oderberger Straße. Die bleibt gern außen vor, wenn von der in die Berliner Stadtgeschichte inzwischen als „Casting-Allee“ eingegangenen Kastanienallee die Rede ist. Dabei reihen sich in der Oderberger ebenfalls unzählige Schnipselschnatzel-, Mode- und vor allem Verzehrläden auf; nicht nur indische Restaurants und der uralteingesessene Grieche, sondern zunehmend solche, in denen es Kaffee aus aller Welt gibt (Bonanza Coffee Heroes), in denen – gute Güte! – Waffeln entdeckt worden sind (Kauf dich glücklich) oder in denen nie klar wird, ob man hier richtig essen oder doch nur trinken soll. Und wenn Letzteres, Bier aus bayrischen Kleinstbrauereien, das man sich aus der Kühltruhe holt (Engelberg).

Die Frage ist natürlich, ob das hier überhaupt jemals cool oder eine Ausgehmeile für zerfledderte Hipster oder besonders glamourös war. Nein, stopp, doch, das war die Oderberger einmal – solange sie nämlich eine vergessene, dunkle, heruntergekommene Straße mit ein paar improvisierten oder alten Bars und dem oft für Veranstaltungen genutzten, stillgelegten Schwimmbad war. Mit ihrer Entdeckung und der Erschließung für die Mauerpark-Flohmarktgänger entwickelte sie sich ungünstiger, von cool zum Easyjetset gewissermaßen.

Aus Singles wurden Prenzlauer-Berg-Kleinfamilien

An einem Samstag ist die Oderberger gar mehr was für aufgeweckte Studenten, die sich über Doktorarbeiten, erschlichene Doktortitel oder über die Krimkrise unterhalten. Und für Prenzlauer-Berg-Kleinfamilien, die hier früher schon, noch als Singles, gewohnt haben und sich wundern, dass es das Nemo noch gibt. Toll ist dann allerdings die Begegnung zwischen einem Mädchen und einem Jungen vor dem Engelberg. Sie umarmen sich herzlich, um dann festzustellen: „Ich weiß gar nicht, wie du heißt“ – „Mio, aber ich habe deinen Namen auch vergessen“ – „Ja, macht nichts: Luisa“ – „Ich muss weiter, aber wenn du im Berghain bist, komm vorbei!“ Er scheint dort zu kellnern. Als er weg ist, setzt sie sich wieder zu dem Jungen, mit dem sie da ist.

„Gentrifizier dich glücklich“

Ob die beiden Tocotronic kennen? Deren schöne Zeile: „Es gibt nur cool oder uncool und wie man sich fühlt“? Oder sie sich manchmal fragen, ob es stimmt, was an dem letzten immer noch teilbesetzten, bald aber auch der Sanierung anheimfallenden Haus in der Kastanienallee geschrieben steht: „Kapitalismus normiert, zerstört, tötet“. Dass da etwas Wahres dran ist, beweisen beide Straßen. Besser wird es vielleicht erst, wenn sich hier dereinst ebenso ironisch wie dialektisch ein Café nennt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false