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"Work Hard, Play Hard": Die Luft ist dünn im Büro

Die Dokumentarfilmerin Carmen Losmann hat jahrelang die Arbeitswelt erforscht. Jetzt stellt sie ihren Film "Work Hard, Play Hard" im Kino Eiszeit vor. Ein Porträt.

Man muss sich die Montagephase eines Films wie eine langwierige Beziehungskrise vorstellen. Kämpfe sind programmiert. Doch während Paare sich oft um nichts streiten, steht am Ende des langen Ringens im Schneideraum eine fertige Arbeit, mit der – jedenfalls wenn es gut geht – alle Beteiligten zufrieden sein können. Man kann loslassen, bis zum nächsten Clinch. Acht Monate hat die Filmemacherin Carmen Losmann mit ihrem Editor Henk Drees an „Work Hard, Play Hard“ geschnitten und aus 100 Stunden Material 90 Minuten Filmerzählung gebastelt. Wobei der Begriff Schnitt leicht in die Irre führt, denn es geht ja mindestens so sehr um das Zusammenfügen wie das Wegmeißeln. So entsteht hier erst das Wesentliche eines Films – vor allem bei einer Doku.

Auch ihr Filmprojekt sei damals erst im Schneideraum zu sich selbst gekommen, erzählt Losman. Die Ambitionen der Filmstudentin waren groß, die Erfahrung nach ein paar Kurzfilmen eher klein. Deshalb hatte ihr Professor ihr für das erste Lang- Projekt zu einem gestandenen Editor mit anderem Background als künstlerische Reibungsfläche geraten. „Er hat mich aber nicht gewarnt, was das an Kämpfen bedeuten würde“, sagt die auch als gestandene Mittdreißigerin noch ganz studentisch aussehende Frau lächelnd, während sie sich auf einer Kreuzberger Café-Terrasse eine Selbstgedrehte ansteckt.

Drees hatte vorher neben dem preisgekrönten Dokumentarfilm „Rich Brothers“ auch TV-Dokus und „Alarm für Cobra 11“ geschnitten, Losmann träumte von einem nicht-narrativen, fast experimentellen Film. So musste nahezu jede ästhetische Entscheidung mühsam ausgefochten werden. Doch der gestalterischen Präzision des Films haben die gründliche Auseinandersetzung – und die eingegangenen Kompromisse – genutzt. Gelernt hat Losmann in den Monaten im Schneideraum das Wichtigste: genauer herauszufinden, was sie selbst eigentlich will.

Seit einem dreiviertel Jahr ist der Film jetzt fertig, seit gestern läuft er im Kino. Bemerkenswert ist das deshalb, weil es sich hier einmal um die Form von Arbeit dreht, die uns in den nächsten Jahrzehnten droht. „Work Hard, Play Hard“ erzählt von den schönen neuen Bürowelten und den totalitären Menschenbildern, die dahinterstehen. Carmen Losmann zeigt das ganz bewusst jenseits der handelsüblichen Doku-Schemata, die mit menschelnden Protagonisten um Einfühlung buhlen. Kühl und nüchtern ist der Film, doch er hat visuelle Suggestionskraft und gedanklichen Sog genug, um ein Publikum zu fesseln. Zugänglich zu sein, ohne sich dem Publikumsgeschmack anzubiedern. Eine permanente Gratwanderung sei das, sagt Losmann, und wendet den Begriff gerne auch für andere Elemente ihres Handwerks an: Die Kunst, Position zu beziehen, ohne Thesen herauszubrüllen.

Gelingen kann diese Gratwanderung nur, wenn sich wacher Sinn für Form mit ernst gemeintem Anliegen verbindet. Beides hat Losmann, sie ist keine von den Nachwuchs-Filmern, die sich als freischwebende Groß-Künstler wähnen. Dabei erhielt die 1978 im baden-württembergischen Crailshaim geborene Lehrerstochter ihre ersten gesellschaftskritischen Impulse ausgerechnet durch ein arglos begonnenes Marketingstudium, dessen Lehrstoffe und Weltbilder „große Irritationen“ bei ihr auslösten. Dennoch hat sie es pflichtgemäß abgeschlossen, in dem Beruf arbeiten wollte sie dann aber nicht mehr: Stattdessen hatte sie schon während des Studiums in Köln ein aufmerksames Auge auf die dortige Kunsthochschule für Medien geworfen, die in der Landschaft deutscher Filmausbildungsstätten mit ihrer Offenheit für Experimente und Theorie einen herausragenden Platz einnimmt. Die Ex-Studentin ist des Lobes voll für ihre Hochschule als „gedankenprägende Institution“, wo auch scheinbar abwegige Unternehmungen von den Lehrenden mit Verve unterstützt werden. Außerdem hat sie dort die Filme von Harun Farocki, Fred Wiseman oder Hartmut Bitomsky kennengelernt, die ihr neue dokumentarische Welten eröffneten.

Ihr leidenschaftlich verstörtes Interesse für postmoderne Arbeitswelten und sogenanntes Human Resource Management hatte Losmann aus der ersten Ausbildung mitgebracht, ein daraus resultierendes Filmprojekt nahm im Lauf der Recherche immer größere Dimensionen an. Die NRW-Nachwuchsfilmförderung und Arte unterstützten das Projekt. Richtig loslegen konnte die Regisseurin aber noch nicht: Der Kampf um Drehgenehmigungen und Gesprächstermine bei den angepeilten Firmen stellte sich als ein extrem mühsames und langwieriges Unterfangen („manchmal half Warten, manchmal nicht“) dar, das am Ende erstaunlicherweise doch vielerorts gelang.

Das Ergebnis der vierjährigen Arbeit wussten zum Glück einige zu würdigen. Beim Dokumentarfilmfestival in Leipzig lief „Work Hard, Play Hard“ als einziger deutscher Film im internationalen Wettbewerb und wurde gleich mit drei Preisen ausgezeichnet. Er kam auch beim Publikum so gut an, dass sich mit Film Kino Text schnell ein Verleih fand.

Der Abschied vom Filmkind fällt Carmen Losmann relativ leicht. Denn finanziell kann sich die Regisseurin, die mittlerweile zwischen Köln und Kreuzberg pendelt, erst mal entspannen, da die Preisgelder ihr erlauben, das Restjahr ohne weitere Einnahmen zu überstehen. Gute Basis für neue Projekte, die im Raum schweben, ein erster Antrag ist schon gestellt. Das Thema diesmal: Geld. Auch ihre weiteren Ideen drehen sich meist um Sujets, die bei TV-Redaktionen und Produktionsfirmen als sperrig und eher unsexy gelten, aber von drängendem Belang sind. Carmen Losmanns Film zeigt, dass es keinen Grund gibt, sich vor ihnen zu drücken. Hoffen wir, dass es nicht bei diesem einen dokumentarischen Glückstreffer bleibt.

Im Eiszeit Kino (13.4., 19.30 Uhr in Anwesenheit von Losmann), Filmkunst 66, Hackesche Höfe Kino, Lichtblick-Kino und Tilsiter Lichtspiele

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