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Tugan Sokhiev 2018 bei einem Auftritt mit den Berliner Philharmonikern.

© Stephan Rabold

Die Künstler und der Krieg in der Ukraine: Dirigent Sokhiev legt Ämter nieder

Der russische Dirigent Tugan Sokhiev gibt seine Positionen am Moskauer Bolschoi Theater und beim Orchestre du Capitole de Toulouse auf.

In der aktuellen Krisenesituation sieht sich der russische Dirigent Tugan Sokhiev nicht mehr in der Lage, seine beiden Posten als Chefdirigent des Moskauer Bolschoi-Theaters und des Orchestre du Capitole de Toulouse zu erfüllen. Er ist von beiden Ämtern mit sofortiger Wirkung zurückgetreten.

Wie der Dirigent auf Facebook schreibt, sei er zuvor von seinen Arbeitgebern in der südfranzösischen Stadt Toulouse unter Druck gesetzt worden. Man habe ihn aufgefordert, die russische Invasion in der Ukraine zu verurteilen. Zu einem politischen Statement aber möchte sich der 1977 in Nordossetien geborene Sokhiev nicht zwingen lassen.

Anders als sein Kollege Valery Gergiev, der sich in derselben Situation für seinen russischen Job am Marijnski-Theater in St. Petersburg und gegen seine Position bei den Münchner Philharmonikern entschieden hatte, möchte Sokhiev nicht zwischen dem einen oder den anderen Teil seiner "musikalischen Familie" wählen müssen. Es sei schockierend und beleidigend, dass einige Leute seinen Wunsch nach Frieden infrage stellten und glaubten, dass er als Musiker "jemals für etwas anderes als den Frieden auf unserem Planeten sprechen könnte", schreibt Sokhiev.

In Berlin leitete Sokhiev von 2012 bis 2016 das DSO

Tugan Sokhiev wird weltweit als Klangmagier geschätzt, in Berlin war er von Herbst 2012 bis Sommer 2016 künstlerischer Leiter des Deutschen Symphonie-Orchesters. Diese Position gab er auf, um sich ganz seiner Arbeit am Bolschoi Theater widmen zu können. "Alles, was ich als Musiker bin, verdanke ich dem russischen Ausbildungssystem", sagte er damals in einem Interview mit dem Tagesspiegel. "Ich will jetzt etwas zurückgeben."

Bereits 2016 mochte er sich nicht zu politischen Fragen äußern. "Wir genießen volle künstlerische Freiheit", behauptete er damals über das Bolschoi Theater. "Das Einzige, was die Politik will, ist, dass dieses Theater wieder in seinem früheren Glanz erstrahlt."

Auf Facebook schreibt er jetzt: "Sowohl in Toulouse als auch im Bolschoi-Theater habe ich regelmäßig ukrainische Sänger und Dirigenten eingeladen. Wir haben nie über unsere Nationalitäten nachgedacht. Wir hatten Spaß daran, gemeinsam Musik zu machen. Und das ist auch heute noch so."

Außerdem verweist er auf das "Festival Franco-Russe", das er in Toulouse ins Leben gerufen habe, "um allen zu zeigen, dass die Menschen in Frankreich und Russland historisch, kulturell, spirituell und musikalisch miteinander verbunden sind und dass ich stolz auf diese Verbindung zwischen unseren beiden großen Ländern bin, die ich liebe." Dieses Festival werde jedoch jetzt von den Politikern in Toulouse bekämpft. "Was für eine Schande. Und sie wollen, dass ich mich für den Frieden ausspreche! Ich glaube, dass dieses Festival mehr dazu beitragen kann, Brücken zu bauen, als politische Worte."

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