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Sabin Tambrea als Franz Kafka und Henriette Confurius als Dora Diamant in einer Szene des Films „Die Herrlichkeit des Lebens.“

© dpa/-

„Die Herrlichkeit des Lebens“ im Kino: Franz Kafkas letzte Liebe

Judith Kaufmann und Georg Maas haben aus Michael Kumpfmüllers Roman über Kafka und Dora Diamant einen schönen, berührenden und weitestgehend kitschfreien Film gemacht.

Die Herrlichkeit des Lebens, das Feiern derselbigen, bringt man nicht unbedingt mit dem Jahrhundertschriftsteller Franz Kafka in Verbindung, weder mit seiner Literatur noch mit ihm als Menschen. Er litt unter Tuberkulose und starb daran am 3. Juni 1924 im Alter von nicht einmal 41 Jahren.

Und doch schrieb Kafka im Oktober 1921 in sein Tagebuch: „Es ist sehr gut denkbar, dass die Herrlichkeit des Lebens um jeden und immer in ihrer ganzen Fülle bereitliegt, aber verhängt, in der Tiefe, unsichtbar, sehr weit. Aber sie liegt dort, nicht feind-selig, nicht widerwillig, nicht taub. Ruft man sie beim richtigen Wort, beim richtigen Namen, dann kommt sie. Das ist das Wesen der Zauberei, die nicht schafft, sondern ruft.“

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Der Berliner Schriftsteller Michael Kumpfmüller hat dieses Zitat seinem gefeierten dokufiktionalen Roman über Kafkas letzte Liebe ein Jahr vor dessen Tod, die Beziehung zu der damals 25 Jahre alten Dora Diamant, vorangestellt und daraus den Titel entnommen. So wie Kumpfmüller seinen Roman erzählt, durchaus leicht und mit einer gewissen Beschwingtheit, scheint Kafka in seinem letzten Lebensjahr tatsächlich ein einigermaßen unbeschwertes Glück erlebt zu haben. Die Herrlichkeit von Franz Kafkas Lebens, sie kam mit Dora Diamant, die 1898 im polnischen Brzezin geboren wurde und aus einer sehr konservativen jüdisch-orthodoxen Familie stammte.

Auch Judith Kaufmann und Georg Maas transportieren in ihrer Romanverfilmung diese passager-finale Unbeschwertheit in Kafkas Leben. Sonnendurchflutet sind die Aufnahmen von den Stränden der Ostsee, da sich Kafka (Sabin Tambrea) und Dora (Henriette Confurius) im Sommer 1923 in Graal-Müritz kennenlernen; der Wind zaust durch seine und ihre Haare, als sie sich auf einer Bank beim Telaraña-Spiel erstmals näherkommen. Und überhaupt scheint dieser Sommer mit den Kindern aus dem Jüdischen Volksheim nie zu Ende zu gehen.

Kleines Kammerspiel

Zumindest will Kafka ihn fortsetzen und trotz seiner fortschreitenden Tuberkulose nicht nach Prag zurückkehren, sondern es abermals auf einen Versuch ankommen lassen, in Berlin zu leben, mit Dora. Während der Film von diesem Zeitpunkt an etwas Kammerspielhaftes bekommt, ist Judith Kaufmann mit ihrer Kamera weiterhin sehr nah dran an den (fast zu schönen) Gesichtern der beiden, gerade auch in den dunkleren Momenten. Nach und nach vergisst man dabei, dass hier zwei historische Figuren agieren, eine davon der größte deutschsprachige Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

„Die Herrlichkeit des Lebens“ erzählt auf diese Weise von einem im Grunde x-beliebigen Liebespaar, von einer Beziehung, in der es gleichermaßen glückliche wie tragische Momente gibt. Letztendlich, um zu der Psyche Kafkas zurückzukehren: von einem Schriftsteller, der keinen Selbstverlust in einer eheähnlichen Verbindung mehr fürchtet – nach denen zu Felice Bauer und Milena Jesenská. Der keine Angst mehr um seine Freiheit hat. Und der Schreiben und Eros zu trennen weiß.

Das Mädchen und die Puppe

Obwohl der Film sich ganz auf die Liebesbeziehung konzentriert, gerät ihm der wahre biografische Hintergrund nicht aus dem Blick, das aber dezent. Der hier ungemein sympathisch rüberkommende Max Brod (Manuel Rubey) teilt Kafka mit, dass der Berliner Verlag Die Schmiede einen Erzählband von ihm veröffentlichen will. Ein Telefonat mit dem Vater und auch die Gespräche mit der Schwester erweisen sich als problematisch; einmal liest Kafka Dora den Beginn seiner Erzählung „Die Verwandlung“ vor (was nicht unbedingt nötig gewesen wäre). Und die Vermieterin der Steglitzer Wohnung wacht mit Argusaugen über das Paar. (Kafka und Dora Diamant sind seinerzeit noch in eine zweite Berliner Wohnung in die Grunewaldstraße gezogen.)

Und auch das kleine Mädchen, das Kafka in einem Steglitzer Park kennengelernt hat und das ihm weinend erzählte, dass es seine Puppe verloren hat, kommt im Film vor, allerdings als Schützling Doras aus dem Jüdischen Kinderheim.

Auf die hektischen Ortswechsel kurz vor Kafkas Tod verzichten Kaufmann und Maas, da muss ein Sanatorium reichen. Und auch hier kommt es ein weiteres Mal zu einer berückenden Szene zwischen dem schon sprachlosen Kafka und Dora. Dass er selbst auf dem Sterbebett noch ein „Dora“ hinhaucht, ist vielleicht des Guten zu viel. Doch sei diese Fiktion diesem schönen, mitunter berührenden und weitestgehend kitschfreien Film zugestanden.

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