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Kalifornische Träume. Die Heiterkeit mit Sängerin Stella Sommer (Mitte) gibt sich gern rätselhaft.

© Alina Simmelbauer

Die Heiterkeit: Pferde, Wale und Goldhaare

Mehr clevere Idee als Substanz? Nein! Die Heiterkeit liefern mit ihrem fantastischen neuen Album „Monterey“ prima Indie-Pop.

Manchmal passiert es dann doch, dass plötzlich eine neue Popband auftaucht und alle sich fragen: Was ist das denn? Bei Die Heiterkeit aus Hamburg war jedenfalls sofort deutlich zu spüren, dass nicht jeder mit deren vor zwei Jahren erschienenem Debütalbum „Herz aus Gold“ klarkam. Mit einer sonoren Grabesstimme, die an die unvergleichliche Nico erinnerte, wurden schwer verrätselte Texte zu einer unterkühlten und sich jeglichem Anflug von Virtuosität verweigernden Musik dargeboten. Die einen fühlten sich an depressiv gewordene Lassie Singers erinnert, andere mussten an die frühen Tocotronic denken, aber so richtig halfen all diese Vergleiche auch nicht weiter.

Eine Band wurde zum Enigma. Geht das überhaupt: Drei blasiert dreinschauende junge Frauen, die aussehen wie Philosophiestudentinnen, lernen sich ausgerechnet beim Jurastudium kennen und beschließen, es einfach mal mit einer Band zu versuchen? „Spiegel Online“ behauptete, Die Heiterkeit habe sich vor allem von Beginn an geschickt vermarktet und sei mehr clevere Idee als Band mit Substanz. Die ausgestellte Arroganz von Sängerin Stella Sommer, ihr Mädchen-aus-gutem-Hause-Habitus und auch das Bandlogo mit einem Smiley, der vergisst zu lächeln, das alles sei auffallender als die Musik selbst. Fehlte nur noch der Vorwurf: Die sehen doch vor allem gut aus.

Es ist schon erstaunlich, wie diese eigentlich eher charmanten Selbstermächtigungsgesten von Die Heiterkeit immer noch provozieren können. Jahre nach den Riot-Grrls, Charlotte Roche, der Erfindung des Slut Walks und der Gründung des „Missy“-Magazins. Man muss diese Verbindungen herstellen, denn das Naserümpfen muss ja wohl etwas damit zu tun haben, dass hier drei Frauen Musik machen. Instrumente nicht perfekt beherrschen und sich trotzdem aufreizend selbstbewusst auf die Bühne stellen – eine derartige Anmaßung lässt man Frauen einfach immer noch ungern durchgehen. Den Kritiker von „Zeit Online“ machte das sogar regelrecht „wütend“. Die „herablassende“ Art von Sängerin Stella Sommer nahm er tatsächlich persönlich.

Bassläufe wie bei Joy Division, die man beinahe "fett" nennen möchte

Wütende Plattenrezensenten hat man heute nicht mehr oft, wo Popmusik nur noch als super oder egal angesehen wird, aber nie mehr als so richtig ablehnenswert. Natürlich ist das ein weiterer Beleg für die Großartigkeit von Die Heiterkeit. Sie können sich zu Recht etwas darauf einbilden, wahrscheinlich werden sie sich demnächst bei Konzerten noch schnöseliger und abweisender geben.

Dabei wird „Monterey“, der zweite Streich der Band, rein musikalisch sicher weniger Wut und Hass auslösen. Denn das Trio bietet jetzt einige Klangbilderweiterungen an, die es vielen Hörern erleichtern werden, Zugang zur Band zu finden. Zwar klingt Die Heiterkeit in ihrem Stoizismus immer noch so, dass man sich an ewig unterschätzte Meister der Sprödheit wie The Cannanes, King Kong oder Beat Happening erinnert fühlt. Dazu kommen nun aber auch Bassläufe wie bei Joy Division oder New Order, die man beinahe „fett“ nennen möchte, und Keyboardklänge, die auch bei einem guten Song von The Cure passen könnten. Bei „Auge“ und „Kapitän“ wurde ordentlich Hall unter den Gesang von Stella Sommer gelegt – ebenfalls ein Trick, um die neuen Stücke etwas voluminöser wirken zu lassen.

Gleichzeitig bleibt die Band, die das Album mit einer neuen Schlagzeugerin in ein paar Tagen in Berlin eingespielt hat, sperrig wie eh und je. Man mag zwar gelegentlich an Lana Del Rey oder Haim denken und vom Glam der neuen Ernsthaftigkeit junger Frauen berichten, aber Die Heiterkeit singt dann tatsächlich nicht über Ryan Gosling, sondern über Cary Grant. Kann man so eine Band also wirklich als aktuelle Stimme eines bestimmten Lebensgefühls ernst nehmen?

Stellt man der Band Fragen nach Referenzen, bekommt man nichts Substanzielles geliefert. Nur letztlich logische Erwiderungen, die ins Vage weisen. Eine Diva, die erklären würde, was sie zur Diva macht, wäre ja keine mehr. Man tut gelangweilt bei Der Heiterkeit, gibt ausweichende Antworten, behauptet, diese oder jene Band überhaupt nicht zu kennen. Bassistin Rabea Erradi will sogar noch nie etwas von Ryan Gosling gehört haben. Aber mit The Cure, da kann man sich sicher sein, liegt man nicht ganz falsch. Ein Song der Band, der es nicht auf die Platte, aber auf eine Single geschafft hat, heißt „Robert Smith“ und ist eine Hommage an den Sänger von The Cure.

Weshalb sie die Platte „Monterey“ genannt und ihr ein Kitschcover mit drei gemalten Pferden gegeben haben, wird ebenso wenig klar wie die Texte über den „Jungen mit dem goldenen Haar“. Aber das „Twin Peaks“-hafte gehört nun mal zu dieser Band. Stella Sommer sagt, sie sei vor kurzem in Kalifornien gewesen, sie wollte dort eigentlich reiten, sei dann aber mehr mit Whale-Watching beschäftigt gewesen und irgendwie sei sie dann auf die kalifornische Kleinstadt Monterey gestoßen. Vielleicht ist der Titel ja auch wieder so eine Spur, die man verfolgen kann, ein Hinweis, der, wie in David Lynchs berühmter Serie, zu irgendetwas führt, vielleicht aber auch nicht. Das berühmte Monterey International Pop Festival fand hier 1967 statt. Außer Laura Nyro spielten hier nur die männlichen Rockgötter, Jimi Hendrix und Konsorten. Jetzt aber stehen unter dem Cover-Wolkenhimmel von Monterey diese wie einer Mädchenfantasie entsprungenen Pferde.

Stehen die drei Pferde für die Mädchen von Die Heiterkeit, so, wie einst die drei Enten auf dem Cover von „Es ist egal, aber“ für die drei Jungs von Tocotronic standen? Und wäre das wiederum gar ein versteckter Verweis auf Tocotronic? Dass man sich all solche Fragen überhaupt stellt, auch das beweist, was für ein fantastisches Album „Monterey“ geworden ist.

„Monterey“ ist bei Staatsakt erschienen.

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