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Das ist kein Geringerer als Herr Ingeborg.

© Screenshot: Tsp

Die Hasswelle rollt: Erste queere Person im „Sandmännchen“

Herr Ingeborg ist die erste queere Figur in sechs Jahrzehnten „Sandmännchen“. Und bringt die Rechtsextremen gegen sich auf, aber genau deren Empörung muss empören.

Ein Kommentar von Joachim Huber

Der Anlass ist klein, aber eben nicht klein genug, dass er nicht groß werden konnte. In der Kindersendung „Unser Sandmännchen“ gibt es zur Rahmenhandlung immer eine Binnengeschichte, wie zum Beispiel „Raketenflieger Timmi“. In einer einzigen Folge – „Der blaue Planet“ – ist Herr Ingeborg aufgetaucht. Herr Ingeborg ist eine geschminkte Figur mit Schnauzbart und Glatze, mit Perlenkette, Kleid und Kinderstimme.

Zweimal ist die Folge gelaufen

Herr Ingeborg ist die erste queere Figur in sechs Jahrzehnten „Sandmännchen“. Wer bei YouTube die Figur sieht und hört (in der Kika-Mediathek ist „Der blaue Planet“ nicht zu finden), der kann sich als Erwachsener an den Fasching in Bayern erinnert fühlen, als sich CSU-Politiker wie Günther Beckstein in Frauenkleider stürzten, Rouge auf den Wangen legten und die Lippen SPD-Rot schminkten.

 Es ist fraglich, ob eine solche Darstellung in einer Sendung für Kinder ab 3 Jahren sein muss und angemessen ist.

Dennis Thering, Hamburgs CDU-Chef

Frau Günther war so sensationell wie Herr Ingeborg es jetzt ist. Zweimal ist die Folge laut queer.de bisher im Kika gelaufen, im September 2021 im RBB, Ende Juli dieses Jahres im Kika. Hier setzt das Lehrbeispiel ein: Die erste Ausstrahlung blieb folgenlos, die Wiederholung nicht. Erst haben rechte Medien wie „Nius“ oder „Junge Freiheit“, dann AfD, „Bild“, schließlich Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering die Empörungswelle angeschoben.

Seine Einlassung, „Es ist fraglich, ob eine solche Darstellung in einer Sendung für Kinder ab 3 Jahren sein muss und angemessen ist“, war noch im Rahmen, aber was in den Kommentaren zum Video bei YouTube zu lesen war und unaufhörlich zu lesen ist, fällt aus dem Rahmen.

„Es ist nicht zum Aushalten! Nun auch noch das Sandmännchen! Überall sind ihre dreckigen und abartigen Pfoten! Schützt eure Kinder! Bevor sie Schaden nehmen! Bin ich froh, dass meine Kids schon groß sind und noch unschuldig den Sandmann sehen konnten, jeden Abend“, ist noch einer der harmloseren Beiträge.

Ein enormes Gemeinheits-Level ist das, was Herr Ingeborg auslöst. Und die ausgebliebene 2021 wie die aktuelle Reaktionswelle 2002 zeigt, dass und wie sehr sich die Zeiten nicht zum Besseren geändert haben.

Nur noch Menschenfeinde

Was sich am Beispiel des Herrn Ingeborg offenbart, wird queeren Menschen Tag für Tag, Stunde für Stunde begegnen: Unverständnis bis zur Ablehnung, Ablehnung bis zum Hass. Hass, der sich versteckt, Hass, der sich offen präsentiert. Vielleicht steckt die Unfähigkeit dahinter, mit Querness umgehen zu können, offensichtlich der radikale Unwille, Queerness zu akzeptieren. Flut und Maßlosigkeit der Reaktionen auf Herrn Ingeborg machen nur noch wütend.

Da hilft kein Drumherumreden, da hilft keine Beschwichtigung: Hier toben sich Menschenfeinde aus. Und deswegen: Lasst nicht einen Herrn Ingeborg, lasst viele Herren Ingeborg um uns sein.

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