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André Schmitz erhielt die Auszeichnung "Causales".

© P. Sattler/Causales

Kulturinvestkongress: Die gute Ware Schönes

Beim Berliner „Kulturinvestkongress“ reden Kreative offen über Geld – und André Schmitz wird Kulturmanager des Jahres.

Ist das schon ein Comeback? Am Donnerstagabend nimmt André Schmitz im Schillertheater aus den Händen von Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff die „Aureka“ entgegen. Eine handliche, goldglänzende Frauenskulptur, die ihre Erfinder von der Kulturmarketinggesellschaft „Causales“ ganz unbescheiden als „das weibliche Pendant zum Oscar“ bezeichnen – und die bei der „Night of Cultural Brands“ in sieben Kategorien verliehen wird.

André Schmitz ist der „Europäische Kulturmanager des Jahres“. Was insofern merkwürdig anmutet, als der Politiker im Februar den Posten des Berliner Kulturstaatssekretärs verloren hat, als Folge einer steuerlichen Verfehlung. Doch die Auszeichnung ist – anders als beim Oscar – nicht als Anerkennung für eine aktuelle Leistung gedacht. Sondern vielmehr eine Ehren-Trophäe für ein nachhaltig positives Wirken im Management der Schönen Künste. Und als Kulturermöglicher hat der gelernte Jurist Schmitz zweifellos Großes geleistet, zunächst an der Spitze der Verwaltung der Berliner Volksbühne und der Deutschen Oper, später als Chef der Senatskanzlei und ab 2006 in der hauptstädtischen Kulturverwaltung.

André Schmitz schlägt ungeteilte Sympathie entgegen

„Das praktische Tätigwerden des Menschen“, so hat Ernst Cassirer einst den Begriff „Kultur“ definiert. Stephan-Andreas Casdorff zitiert den Philosophen, weil ihm diese Beschreibung genau auf André Schmitz zu passen scheint. Auf sein Engagement in der Schwarzkopf-Stiftung, die junge Menschen für Europa begeistern will, wie auch auf seine Berliner Jobs. Nachdem er „in aller Öffentlichkeit Buße geleistet und sein geliebtes Amt verloren hat“, wie es Casdorff formuliert, schlägt ihm an diesem Donnerstagabend in Charlottenburg nun ungeteilte Sympathie aus dem Saal entgegen. Und es ist eine, die ihn zutiefst berührt.

„Eigentlich müsste ich ja sagen: Ich habe doch nur meinen Job gemacht“, haucht Schmitz ins Mikrofon, „doch ich muss offen zugeben: Meine Eitelkeit freut sich.“ Von Moderatorin Andrea Thilo nach seinem größten Erfolg gefragt, nennt er die „Zerstörte Vielfalt“, jenes Themenjahr 2013, bei dem daran erinnert wurde, welch kulturellen Reichtum die Berliner durch die Verfolgung ihrer jüdischen Mitbürger nach 1933 verloren haben. Als größte Niederlage wiederum nennt Schmitz die City-Tax, die er so gern der freien Szene zugeschanzt hätte, worauf er dann aber vom Finanzsenator „austrickst“ worden sei.

„Dafür musst du jetzt kämpfen“, ruft er seinem Nachfolger Tim Renner zu. Der hatte zuvor den Abend ganz polyglott eröffnet, mit einem Grußwort auf Englisch. Als „europäischer Branchentreff für Kulturanbieter und Kulturinvestoren“ versteht sich der „Kulturinvestkongress“, der seit sechs Jahren von „Causales“ veranstaltet wird und in der „Kulturmarken Gala“ seinen Höhepunkt findet.

Bregenz ist die "Stadtmarke des Jahres"

Eine 31-köpfige Jury unter Vorsitz von Oliver Scheytt, dem Macher von „Ruhr 2010“, hat neben André Schmitz diesmal Bregenz zur „Stadtmarke des Jahres“ gekürt, das Pariser „Palais de Tokyo“ zur „Trendmarke“ sowie das ebenfalls in der französischen Hauptstadt beheimatete „Institut du Monde Arabe“ zur „Kulturmarke 2014“. Das Mahler Chamber Orchestra wird für sein Bildungsprogramm mit gehörbehinderten Kindern geehrt, der RWE-Konzern für die langjährige Unterstützung der darbenden tschechischen Filmindustrie. Die „Aureka“-Statuette für die innovativste „Kulturtourismusregion“ schließlich geht an das Ruhrgebiet.

Beim „Kulturinvestkongress“ wird zwei Tage lang sehr offen übers Geld geredet. Mehrere hundert Akteure aus Kultur und Wirtschaft lassen sich von 100 Referenten in den Veranstaltungsräumen des Tagesspiegel am Askanischen Platz über Trends in der Vermittlung und Vermarktung kreativer Inhalte informieren, diskutieren über Marketingstrategien und nationale Fördersysteme.

Da berichten die Macher der europäischen Kulturhauptstadt 2015, wie sie es schaffen wollen, dass die Welt das böhmische Pilsen künftig nicht mehr nur als Heimat des untergärigen Bieres wahrnimmt. Da schildert Floriana Tessitore vom Teatro Massimo in Palermo die Krise der italienischen Opernhäuser (und macht wenig Hoffnung auf Besserung), da erläutert Lionel Flasseur, wie es der französischen Metropole Lyon gelungen ist, ihr Image dadurch aufzupolieren, dass sie alle ihre Events unter einer Dachmarke bewirbt. Nebenbei erfährt der Zuhörer, dass Lyon 20 Prozent des städtischen Haushalts für Kultur ausgibt. In Berlin sind es 1,8 Prozent.

Eine tolle Erfolgsgeschichte kann Michèle Guillossou über „La folle journée de Nantes“ erzählen: 1995 wurde das Festival erfunden, das jeweils Ende Januar Klassik für Einsteiger bietet, lauter 45-Minuten-Kurzkonzerte quer durch alle Genres, so dass sich jeder herauspicken kann, was ihm gefällt. Die Auslastung liegt konstant bei 97 Prozent, und 10 000 der 40 000 Besucher kommen tatsächlich aus jenen Gesellschaftsschichten, die im Politikersprech „kulturfern“ heißen.

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