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Kultur: Die Düsseldorfer Ausstellung huldigt dem unsterblichen Pop und der profanen Heiligkeit

Das Erhabene, die Aura des Sakralen, der Glamour, der Kult, die Ikonen - all das gehört längst zum Standardrepertoire einer omnipräsenten Popkultur. Filmstars sind Leinwandgötter, Popidole kultisch verehrte Auserwählte, tote Prinzessinnen figurieren als Schutzmantelmadonnen und Boygroup-Fans sind moderne Hysteriker.

Das Erhabene, die Aura des Sakralen, der Glamour, der Kult, die Ikonen - all das gehört längst zum Standardrepertoire einer omnipräsenten Popkultur. Filmstars sind Leinwandgötter, Popidole kultisch verehrte Auserwählte, tote Prinzessinnen figurieren als Schutzmantelmadonnen und Boygroup-Fans sind moderne Hysteriker. Das Alternativprogramm zu Lourdes heißt Graceland, die moderne Variante der Selbstkasteiung ist der Schönheitswahn und der Fitnesskult.

Der Lifestyle hat die Religion ersetzt, aber das Religiöse hat ein wenig Mimikry geübt und ist geblieben. Das zu konstatieren, ist nicht schwer, eine programmatische Kunstausstellung um diese These zu gruppieren - und nicht weniger hat sich die Ausstellung "Heaven" in der Düsseldorfer Kunsthalle vorgenommen - offensichtlich schon. Denn, wie Thierry de Duve in seinem Katalog-Essay sehr treffend feststellt, es wäre ein wenig banal, einfach nur Werke zusammenzustellen, die das Phänomen eines profanisierten Begriffs von Religion illustrieren. Um wirklich sublim zu sein, muss die Kunst das Religiöse tragen und dementierend zur Anschauung bringen, was nicht darstellbar ist. Doch die Gegenthese der Kuratorin Doreet LeVitté Harten lautet, daß jedes Para-Phänomen, dem die Parameter des Religiösen eigen sind, Motiv eines künstlerischen Aktes sein kann: Elvis als Gesamtkunstwerk, Lady Di als Heilige einer neuen Version von Camp-Kultur.

Authentisch religiöses Gefühl existiert nur noch als Zitat, denn die großen Erzählungen sind vorbei - womit wir am Ende des Millenniums mal wieder tief in der Postmoderne-Debatte der 80er gelandet wären. Genauer betrachtet, nimmt "Heaven" wörtlich, was Metapher ist und verwechselt so manches Mal Transzendenz mit transparenter Oberflächlichkeit. Die internationale Besetzung mit 35 Künstlern garantiert zwar einen Blick in den Olymp der großen Namen, doch neben Inez van Lamsweerde, Mariko Mori, den Chapman-Brüdern und Sylvie Fleury tummeln sich auch himmlische Heerscharen aus neo-religiösem Kitsch, die das erhabene "Jetzt" in der Momenthaftigkeit der Instant-Popkultur gefunden zu haben meinen. Von der Schnitzmadonna in Lady Di-Gestalt (Art Studio Demetz) bis zum hellblauen Schweißtuch des "King" Elvis (Jeffrey Valance) reicht dieser Devotionalien-Shop auf Kunst-Niveau, von der interaktiven Computerschönheit von Kirsten Geisler bis zum Thierry Mugler-Gewand für überirdische Laufsteg-Beauties der Glamour-Fraktion.

Echte Pop-Memorabilia sind mit einem Bustier von Madonna aus dem Film "Desperatly Seeking Susan" und einem Handschuh mit Glitzer-Applikation von Michael Jackson vertreten. Diese Ikone von einst mit ihrem Traum von der Selbsttranszendierung gibt es zusätzlich noch in Porzellan: Jeff Koons wählt den Weg des Kitsches als profanen Pfad zur Perfektion und präsentiert "Jacko" nebst Affen "Bubbles" als goldene Rokoko-Phantasie über das Leben als Kunstwerk, dem tatsächlich nur in materialisierter Form und in musealer Weihe ewige Dauer beschieden ist. Denn das ist der eigentliche Grund dieser neuerlichen Verschwisterung von "High" und "Low": Um Unsterblichkeit zu erlangen, braucht Pop die Kunst. Wenn Olga Tobreluts die Köpfe von Models in die Gemälde alter Meister fügt und Kate Moss zur Antonello della Messinna-Madonna werden läßt, ist die Metapher zur Form geworden, das Begehren auf ewig ikonisiert und aufgenommen in die Galerie der Meisterwerke.

Die französische Künstlerin Orlan opfert sich gar selbst auf dem Altar der Schönheitschirurgie, um irgendwann einmal aufzuerstehen als perfektes Kompositporträt klassischer Schönheit: die Augen von Botticelli, der Mund von Michelangelo. Das erinnert an einen Schönheitskult, der dem religiösen Ideal des geistigen Reichtums durch Askese entsprechen soll - der Schnitt in das schwache Fleisch gerät zur spirituellen Erleuchtung, die operativ entfernten Körperpartikel werden wie Devotionalien präsentiert.

Wie Kunst als Religions-Substitut tatsächlich aussehen könnte, erfährt man schon eher in den Arbeiten von Mariko Mori, deren hyperrealistische Hochglanzästhetik sich bereits im Titel als "Empty Dream" präsentiert. In die übergroße Fotografie der realen Künstlichkeit eines japanischen Spaßbades hat Mori sich selbst gleich mehrmals als Nixe eingescannt: die kleine Meerjungfrau im hermetischen Reich einer jener Fun-Factories, die als pragmatische Parallelwelten einen Augenblick lang alle Sehnsüchte stillen. Die Erleuchtungsmaschine "Enlightenment Capsule" hingegen suggeriert ganz real die Präsenz einer überiridischen Macht, wenn in einer Glaskugel in Form einer Lotosblüte ein metaphysisches Licht glüht, das zumindest jenen Menschen, die auch ihre Tamagotchis im Internet zur letzten Ruhe betten, eine futuristisch gewendete Vision von Transzendenz vermittelt wird. Der Untertitel dieses postmodernen Ausstellungparcours im 80er-Style klingt jedenfalls schwer nach forciertem Werbespruch für das hippste Kunstevent des Sommers: "An Exhibition that will break your Heart".Kunsthalle Düsseldorf, bis 17. Oktober;

Katalog (Cantz Verlag) 48 Mark.

Vanessa Müller

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