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„TT (Pi)“, eine Farbaquatinta-Radierung von Sean Scully aus dem Jahr 1994.

© Galerie P.W. Richard

Highlights grafischer Kunst: Die dritte Form

In der Galerie P. W. Richard hängen grafische Meisterwerke der postmodernen Abstraktion.

Fast sieht es nach Malerei aus, wenn Sean Scully die wuchtigen Streifengemälde als sein Markenzeichen zur Druckgrafik werden lässt. Wie beim „Green Ascending“, wo geometrische Flächen zwischen Balken in ihren erdigen Tönen und der zarten Binnenstruktur an die Maserung von Baumstämmen erinnern (7200 €).

Im „Red Fold“ schweben sechs schachbrettartig angeordnete Quadrate in fein abgestuftem Beige, Braun und Schwarz auf dem weißen Blatt (5800 €). Zum „Blue Fold“ fügen sich Rechtecke in nuanciertem Blau, Ocker und Grau zu einem wundersamen Bildteppich (6800 €). Den ergeben in der „Landline Red“ übereinander gesetzte Streifen aus abgedämpften Rot, Gelb und Braun, traumartig verschwimmen die Konturen (3800 €). Das handgeschöpfte Papier aus Naturfasern - Arches, Velin oder Japan Paper - trägt zur malerischen Wirkung der Prints bei, verleiht ihnen eine weihevolle Note – schließlich war der junge Scully von angelsächsischer Kirchenmalerei fasziniert. Wegen seiner ausgefeilten Drucktechnik sind nur kleine Auflagen bis maximal 50 Stück möglich.

Ausgezeichnete Künstler

Der 1945 in Dublin geborene zweifache Turner Prize-Träger ist mit seinen Farbaquatinta-Radierungen der letzten dreißig Jahre in der Galerie P. W. Richard zu Gast, die ihn mit zwei weiteren Meistern postmoderner Abstraktion vorstellt: Günther Förg und Robert Mangold. Scully, der nach einer Ausbildung zum Schriftsetzer in England Malerei studierte und 1975 nach New York City zog, wurde hier vom abstrakten Expressionismus beeinflusst, den er wie der um acht Jahre ältere Amerikaner Mangold verfremdete. Wollte der Ire der abstrakten Malerei ihre emotionale und spirituelle Kraft zurückgeben, so verfolgte Mangold einen strikten Minimalismus.

1963 schloss er sein Studium an der Yale University in New Haven ab, die Begegnung mit Josef Albers weckte Mangolds Interesse am westeuropäischen Konstruktivismus. Das Streben nach lapidaren reinen Formen und klarer reduzierter Ordnung steht bei ihm im Vordergrund, wobei er präzise das Verhältnis der exakt konstruierten Komposition zum Bildformat, den Bezug der Farbe zu ihrer Tonart und ihrer Wertigkeit im Bild austariert.

Die Lust am Experiment

In der Galerie P. W. Richard ist er mit Holzschnitten und Radierungen präsent, die den Betrachter auch zu genauerer optischer Wahrnehmung herausfordern. Denn im „Five Color Frame“ von 1985 scheinen sich unterschiedlich große Rechtecke in grellen und dunklen Farben zu überlagern, während sie doch tatsächlich nebeneinander liegen (1800 €). Beim „Square within two Triangles“ von 1977 entsteht aus zwei aneinandergefügten Dreiecken mit eingezeichnetem Quadrat die dritte Form eines weiteren Dreiecks (800 €).

Mit der Abstraktion verfuhr der aus Bayern stammende Günther Förg auf seine ganz eigene Weise. Er kam mit dem Informel während seines Studiums an der Münchner Kunstakademie in Berührung. Hier lehrte er selbst ab den späten neunziger Jahren bis 2013 – bis zu seinem frühen Tod im Alter von 61 Jahren. Ein Weggefährte von Scully, der an derselben Hochschule bis 2007 ebenfalls eine Professur innehatte und seit einigen Jahren unter anderem ein imposantes Atelier in Berlin-Reinickendorf unterhält.

Die Lust am Experimentieren, am Pinselstrich und an der Farbe an sich steht bei Förg, der 1996 mit dem hoch dotierten Kölner Wolfgang-Hahn-Preis ausgezeichnet wurde, im Vordergrund. 1997 erzeugte er durch die Kombination von Lithografie und Siebdruck expressive Farbgitter von wildem Duktus, die Räumlichkeit suggerieren (1500 €). Seine bei Richard gezeigten Holz- und Linolschnitte verzichten in dem frisch-frechen spontanen Umgang mit einer leuchtender Palette und mit Formen, die noch in keinem Lehrbuch der Geometrie verzeichnet sind, ohnehin auf Ausdeutungen jeglicher Art. Zu sehen ist nur die Abstraktion pur (600-800 €).

Galerie P. W. Richard, Wielandstr. 13; bis 17. April, www.galerie-p-w-richard.de

Angelika Leitzke

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