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Krawattenzwang. France (Karin Viard) mit ihrem neuen Chef, dem von Gilles Lellouche gespielten Börsenmakler. Foto: Promo

© dpa

Kultur: Der Prinz und die Putze

Empört Euch: Cédric Klapischs Filmkomödie „Mein Stück vom Kuchen“

Es ist wieder die Zeit der Manifeste. Sie heißen „Empört Euch!“ oder „Der kommende Aufstand“, und auch den neuen Film von Cédric Klapisch muss man wohl zu dieser Gattung zählen. Dabei ist die Vorsätzlichkeit der größte Feind der Kunst und des Kinos. Normalerweise. Aber was ist schon noch normal in Europa?

Der Regisseur wurde 1961 geboren, befindet sich also in einem Alter, in dem für manche schon alles gelaufen ist. In anderen Bereichen dagegen gilt man noch immer als Hoffnungsträger. Klapisch gilt als große Hoffnung des französischen Kinos. Zu Recht, hat er sich mit seiner wunderbaren Erasmus-Austauschprogramm- Komödie „Barcelona für ein Jahr“ (2002) um Europa verdient gemacht wie kaum ein anderer Regisseur. Eine WG in Spanien, so bunt wie der Kontinent, da wuchs in der Tat sehr schräg zusammen, was nicht gerade zusammengehörte.

Und jetzt? Ist die Zuversicht weg, die Leichtigkeit auch, und die Tiefe gleich mit. Absichten können es nicht ausstehen, wenn man sie leichtnimmt. Hat es France etwa leicht – drei Kinder, kein Mann, wohnhaft in Dünkirchen? Viele Menschen sind inzwischen Dauergast in existenziellen Grenzsituationen, das macht dünnhäutig. France (Karin Viard) läuft erst einmal Amok gegen sich selbst. Schlaftabletten. Die Fabrik, in der sie viele Jahre gearbeitet hat, wird geschlossen. Von heute auf morgen. Alles Unglück der Menschen rührt daher, dass sie nicht wie Frances Fabrik einfach eine Bekanntmachung ans Tor hängen können: Wegen Pleite ab heute geschlossen!

Wenn die Wiederaufgeweckte sich dann doch zum Bleiben entschließt, hat sie eine neue Freiheit gewonnen: den Vorbehalt. Sie weiß, wie man sich selbst entkommt, unsere gewöhnlichen Zugeständnisse an das Taktgefühl gelten nicht mehr für sie. Da das Leben ihr keine anderen Chancen mehr bieten will, nimmt France an diesem Kurzputzlehrgang für Immigrantinnen ohne Sprachkenntnisse in Paris teil – Putzfrauen müssen nicht viel reden; keinen interessiert, was sie denken. Zur Sicherheit, sagt der Kursleiter, könne sie doch mit Akzent sprechen. France entscheidet sich für die Rolle der beherzten Osteuropäerin, und gewiss sind alle afrikanischen Kursteilnehmerinnen fortan der Meinung, dass die lautesten Frauen der Welt aus Russland kommen. Ist das lustig? Karin Viard, die schon in Cédric Klapischs allererstem Film dabei war, gibt alles, auch wenn das manchmal etwas zu viel ist.

Die osteuropäische Putzhilfe findet Arbeit bei einem Börsenmann (Gilles Lellouche), der die Pariser Dependance eines Londoner Geldinstituts aufbauen soll. Am besten, sie verhalte sich, als sei sie gar nicht da: Der Spekulant ist nervös. Als ein kleiner Junge bei ihm abgegeben wird, wird er noch nervöser. Der Kleine ist sein Sohn, aber er steht ihm hilfloser gegenüber als einem Börsencrash. Der Prinz und das Aschenputtel, die angejahrte Schöne und das Biest: Wie viele solcher Filme haben wir schon gesehen?

Natürlich kann man dieses Genre noch einmal neu erfinden, aber eben das gelingt Klapisch und seinen Schauspielern nicht. Nur das Ende ist neu, das Ende nach dem Happy-End. France erfährt, dass ihr Börsianer, dieser emotionale Analphabet, auch an der Schließung ihrer Fabrik seinen Anteil hat. Empört Euch!, würde Stéphane Hessel jetzt sagen. Schon richtig, aber warum ist man so peinlich berührt und sehnt sich zurück nach Komödien wie „Up in the Air“, in denen niemand sich bessern und ein neues Leben anfangen musste?

In sechs Berliner Kinos. OmU: Babylon Kreuzberg

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