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Verleger-Biographie: Der Mann mit dem Netz

Neue Perspektiven: Barbara Hoffmeister beschreibt Leben und Werk des Verlegers Samuel Fischer.

„Ich war ein elfjähriges Kind, als er in Berlin seinen Verlag gründete. Zehn Jahre später war es der Traum jedes jungen Literaten, ein Buch bei S. Fischer zu haben.“ So erinnerte sich Thomas Mann an seinen Verleger, der ihm mit den „Buddenbrooks“ den Weg zum Ruhm eröffnete. Für den Bruder Heinrich blieb es ein Traum, er wurde von Samuel Fischer nur einige Monate als Volontär akzeptiert, nicht als Autor.

Die ersten Verlagsprogramme mit dem von Otto Eckmann entworfenen Fischernetz-Logo zierten Namen wie Emile Zola, Leo Tolstoi, Fedor Michailowitsch Dostojewski und Gerhart Hauptmann – mit und nach Thomas Mann kamen auch Arthur Schnitzler, Jakob Wassermann, Hermann Hesse, Alfred Döblin, Bernard Shaw sowie Gabriele d`Annunzio oder Walt Whitman und Leo Trotzki hinzu. Die Geschichte des 1886 gegründeten Verlages „spiegelt“ , wie es Reiner Stach hundert Jahre später in seiner Jubiläumsschrift formulierte, in der Tat „Entstehung und Entfaltung der modernen Literatur und ist damit ein Teil dieses Prozesses selbst: Verlagsgeschichte als Literaturgeschichte.“

Nun steht wieder ein Jubiläum bevor. Am 24. Dezember ist der 150. Geburtstag Samuel Fischers, zu dem Barbara Hoffmeister eine Lebensbeschreibung des Verlagsgründers vorgeleg hat. Der Jubilar wurde 1859 in Liptó Szent Miklós (Ungarn) geboren. Hier lebten vor allem deutschsprachige, kulturell aufgeschlossene jüdische Kleinbürger, die erstmals einen jüdischen Bürgermeister gewählt hatten und über ein jüdisches Privatgymnasium verfügten, das auch von „Sami“ Fischer besucht wurde. Aber schon im Alter von 14 Jahren ging er nach Wien, wo er den Beruf des Buchhändlers erlernte und mehrere Jahre ausübte.

1880 zog es ihn nach Berlin. Er begann als Gehilfe in der Central-Buchhandlung von Hugo Steinitz und wurde nach drei Jahren Teilhaber. Man verlegte Fachzeitschriften, Reiseführer, Kursbücher, humoristische Wochenblätter und populär-medizinische Titel. Mit 26 Jahren machte sich Fischer selbständig und gründete einen eigenen Verlag. Sein erstes Buch war Henrik Ibsens Drama „Rosmersholm“. Samuel Fischer bewies, wie die Autorin anschaulich belegt, von Anfang an ein Gespür für literarische Trends. Schon 1908 erschloss er mit seiner „Bibliothek zeitgenössischer Romane“ durch Preissenkung neue Leserkreise. „Mit ihm als Verleger“, so Hoffmeister, „begann die ,Demokratisierung’ des anspruchsvollen Buches.“

Fischer wurde der führende deutsche Verleger, bei dem auch Ernst Rowohlt oder Peter Suhrkamp als Geschäftsführer „in die Lehre“ gingen. Wir erfahren neue Details aus der Familiengeschichte, Tragisches über den Sohn Gerhart und Erfrischendes über seine gesellige Frau Hedwig (geborene Landshoff), die mehr als 50 000 Briefe geschrieben haben soll. Samuel war eher ein Einzelgänger, der trotz seines Erfolges immer von einer bestimmten Ängstlichkeit beherrscht wurde. Barbara Hoffmeister dokumentiert keine eindeutige „deutsch-jüdische Erfolgsgeschichte“, die „beispielhaft für die Möglichkeiten einer jüdischen Karriere im wilhelminischen Kaiserreich" war. „Am Ende“ – Fischer starb 1934, ein Jahr nach der Machtergreifung der Nazis – wurde sie „eingeholt von einer gesellschaftlich missglückenden Zeit.“

So weit, so verdienstvoll. Doch Lebensbeschreibungen sind immer Schöpfungen von Biografen und unterliegen deren Deutungen. Wie bei den meisten Verlegerbiografien wird auch hier das Interessenfeld vom Auftraggeber mitbestimmt, in diesem Fall von Monika Schoeller, die, so Hoffmeister, „als eigentümerische Verlegerin in Samuel Fischers Nachfolge“ stehe. Eine Rebelliin, wie sie Peter de Mendelssohn eindrucksvoll wagte, dürfte die Ausnahme sein.

Von de Mendelssohn hatte Gottfried Bermann Fischer, der als Schwiegersohn in den zwanziger Jahren in den Verlag eingetreten war und Teile davon nach 1935 ins Exil transferieren konnte, eine gefällige Chronik zum 75. Jubiläumstag (1961) erwartet. Daraus wurde nichts. „Bücher sind schwer wie Steine“ seufzte de Mendelssohn, gab sein Werk mit 1488 Seiten erst zehn Jahre nach dem Jubiläumsdatum ab und ließ dennoch manche Frage offen. Nach so großem zeitlichen und persönlichen Abstand hätte man sich hier mehr Aufklärung von der aktuellen Biografie erwartet. Doch erstaunlicherweise wird Peter de Mendelssohn weder im Vorwort noch im Namensregister erwähnt.

Worin unterscheiden sich die beiden Lebensdeutungen? Barbara Hoffmeister zeigt sich beeindruckt vom Geschick, mit dem Fischer sein Netz ausgeworfen hat, ein intellektuelles Konzept vermisst sie bei ihm. Doch die Verlagsprogramme offenbarten solche Konzepte und Konzeptveränderungen. Peter de Mendelssohn hat sie materialreich dargelegt und zugunsten Gottfried Bermann Fischers gedeutet.

Welche Rolle spielte der Cheflektor Moritz Heimann bis 1925 für die Verlagsführung? Er war nicht nur für den „Aufbau demokratischer Kultur“ verantwortlich, sondern bewies vor allem in der „Neuen Rundschau“ seine brillante Fähigkeit, die Programme auch kulturhistorisch zu interpretieren. Und welchen Einfluss gewann sein undurchsichtiger Nachfolger Oskar Loerke? Wann und wo deuteten sich schon vor 1933 von ihm initiierte Veränderungen an, die später das S.Fischer-Logo mit der so schrecklich arisierten Anthologie „Deutscher Geist“ in Verbindung bringen konnten? Auch das sind Deutungsfragen, die sich für Jubiläumsschriften stellen sollten.

Barbara Hoffmeister: S. Fischer, der Verleger. Eine Lebensbeschreibung. S. Fischer Verlag. Frankfurt a. M. 2009. 494 Seiten, 22,95 €.

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