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Ein junger Kolumbianer vom indigenen Volk der Tikuna zwischen den Flaggen Ecuadors und Boliviens.

© Raul Arboleda/AFP

250 Jahre Humboldt: Der in Lateinamerika beliebteste Deutsche

Fünf Jahre bereiste Alexander von Humboldt den lateinamerikanischen Kontinent. Er wirkt dort bis heute präsenter als in Deutschland.

Viel zu selten wird beim Blick auf Alexander von Humboldt die lateinamerikanische Perspektive gewählt. Es sind vor allem die detaillierten Karten der Vulkane und Berge, es ist das reiche grafische Erbe, das riesige empirische Werk, das Wissenschaftlern dort bis heute als Forschungsgrundlage dient. So etwas hatte vorher niemand erarbeitet: Er stellte Natur und Klima in einen kontinentalen Kontext. Lange Zeit blieb sein universaler Ansatz dort verborgen, jeder schaute nur auf die Humboldtschen Forschungen im eigenen Land – aber im Humboldtschen Sinne ist „alles Wechselwirkung“.

Er eckte auch an, etwa in Venezuela wegen der Mitnahme menschlicher Knochen zu Forschungszwecken. Er war ein Besessener, ließ sich von den Launen der Natur nicht beeindrucken. Es ist kaum vorstellbar, wie er es schaffte, mit seinen Helfern zu Fuß, Pferd und Schiff mit riesigen Messinstrumenten – rund 50 an der Zahl – Peru, Ecuador, Kolumbien, Venezuela, Mexiko und Kuba fünf Jahre lang zu bereisen. Er lehnte die Sklaverei ab, wurde mit enormer sozialer Ungleichheit konfrontiert. Die gerade erschienene Berner Studienausgabe sämtlicher Schriften umfasst satte 6320 Seiten.

„Das Faszinierendste ist für mich nicht nur das, was er über Amerika entdeckt hat, sondern die Methode, die er dabei anwandte“, sagte einer der größten lateinamerikanischen Humboldt-Kenner, der mexikanische Wissenschaftler Jaime Labastida jüngst im „Deutschlandfunk“. „Von Anfang an praktizierte er einen ’systematischen Empirismus’“, wie er es später nannte. Dieser bestand in akribischen Untersuchungen, aus denen er allgemein gültige Theorien ableitete, etwa zum menschlichen Einfluss auf den Klimawandel. Er wollte den Dingen auf den Grund gehen.

Humboldt begründete die Geografie der Pflanzen

„Deshalb sammelte und klassifizierte er Pflanzen nicht nur, sondern hielt auch stets die Höhenlage sowie Längen- und Breitengrade der Fundstelle fest.“ Dadurch habe er eine neue Wissenschaft begründet: die Geografie der Pflanzen. Labastida: „Er war kein bloßer Sammler von Objekten, sondern jemand, der sie in einen größeren Kontext stellte.“ Zu Humboldts Lebenswerk gehört seine „Kosmos“-Sammlung: Er wurde zum wissenschaftlichen, aber auch intellektuellen Brückenbauer zwischen Europa und Amerika.

Spekulationen, er habe Einfluss auf die seinerzeit aufkommenden Unabhängigkeitsbewegungen gehabt, sind aber wohl ein Mythos. Der Kölner Historiker Michael Zeuske, der sich gerade eingehend mit Humboldt in Kuba beschäftigt hat, schreibt, Humboldt habe die Globalisierung des anbrechenden Industriezeitalters sozusagen auf Augenhöhe erfahren, die Grenzen der westlichen Welt persönlich erkundet. „Alexander von Humboldt war in gewissem Sinne ein atlantischer Intellektueller, nicht nur ein deutscher, französischer oder europäischer.“

Die heutigen Erben Humboldts sind Zeugen des Klimawandels, von Fischern bis zu Botanikern und Bergsteigern. Überall entlang seiner Routen sind die Veränderungen spürbar. Aber die Gründe, warum Humboldt heute aktueller denn je ist, werden dort nicht so intensiv diskutiert wie in Deutschland. Auch von den verheerenden Amazonas-Bränden nahm man dort bis zur Aufregung in Europa kaum Notiz.

Sein Name ziert Plätze, Schulen - und Pinguine

Jenseits des Jubiläumsjahrs scheint Humboldts Name in Lateinamerika aber fast präsenter als in seiner Heimat. In dutzenden Städten stehen seine Denkmäler, viele Schulen tragen den Namen Alexander von Humboldts. Es gibt den Pico Humboldt in Venezuela, den Humboldt-Fluss in Brasilien, die Sierra Humboldt in Mexiko, die Humboldt-Bucht in Kolumbien sowie den Humboldt-Pinguin.

Und wer sich schon immer fragte, warum an den Stränden in Peru und Ecuador das Wasser des Pazifiks so kalt ist, machte Bekanntschaft mit dem Humboldt-Strom. Er verändert sich, auch wegen des El Niño-Phänomens, wenn sich das Wasser stark aufheizt.

Das Gletschereis des Chimborazo ist heute im Vergleich zu der Zeit, als Humboldt den – wie er annahm – höchsten Berg der Welt fast ganz erklommen hatte, um die Hälfte geschmolzen. „Die Besteigung des Chimborazo“ war übrigens 1989 einer der letzten Kinofilme der DDR. In der Rolle Alexander von Humboldts war Jan Josef Liefers in seiner ersten Kinorolle zu sehen.

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