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Intim. Statuette des trunkenen Herakles.

© Kulturstiftung Dessau Wörlitz/Heinz Fräßdorf

Ausstellung zu Winckelmann und Fürst Franz: Der Fürst und der Forscher

Antike Seelenlandschaft: Eine Ausstellung in Wörlitz beschwört die Freundschaft von Johann Joachim Winckelmann und Franz von Anhalt-Dessau.

Winckelmann hat Wörlitz nie gesehen. Als der Altertumsforscher 1768 von seinem Wohnsitz Rom aus in den Norden reiste, mit Dessau-Wörlitz als festem Ziel, packte ihn bereits in Wien die Sehnsucht nach dem Süden; auf dem Rückweg wurde er in Triest ermordet.

1773 wurde das Schloss des Fürsten von Anhalt-Dessau eröffnet, und es gibt kein zweites Bauwerk, das so sehr den Vorstellungen Winckelmanns gemäß entworfen und ausgestattet wurde. Fürst Franz hatte Winckelmann in Rom besucht, auf seiner Grand Tour, die er standesgemäß nach Italien unternahm, in Begleitung von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, der ihm als Architekt seines Schlosses dienen sollte. Am 25. Dezember 1765 traf der Fürst den längst in ganz Europa berühmten Mann erstmals in Rom, und Winckelmann schrieb wenige Tage darauf, er sei „stolz über die Ehre die er mir erwiesen, und über unsere Nation, die einen so seltenen weisen Prinzen aufzuweisen hat“.

Erinnerung an südlich-antike Gefilde

Den Austausch zwischen Franz, Winckelmann und Erdmannsdorff „fruchtbar“ zu nennen, wäre das Mindeste. Tatsächlich richteten Bauherr und Architekt ihr gemeinsames Bauwerk nach den Maximen des Forschers aus, und Erdmannsdorff reiste eigens ein weiteres Mal nach Rom – damals keine Kleinigkeit –, um die Ausstattung des Schlosses gemäß den Erkenntnissen Winckelmanns über die Antike auszurichten und entsprechende Objekte zu erwerben.

Einige Stücke sind nun im „Haus der Fürstin“ zu bewundern, einem bescheidenen Haus hinter dem Schloss, dessen zauberhafte Antikengalerie aus klimatechnischen Gründen leider ganz ungenutzt im Sonnenlicht daliegt, das durch die neugotischen Fenster einfällt und auf die alten Dielen fällt. Statt in ihr sind in wenigen Räumen beidseits der wunderbaren hölzernen Wendeltreppe, von geräuschvollen Klimageräten temperiert, Büsten und Statuetten aufgestellt, Kleinzeug, das man damals von einer Reise mitbringen konnte, um für immer die Erinnerung an südlich-antike Gefilde wachzuhalten.

Winckelmann-Bildnis in Original und Kopie

„Revolution des Geschmacks“ heißt die kleine, feine Ausstellung, mit dem Untertitel „Winckelmann, Fürst Franz von Anhalt-Dessau und Schloss zu Wörlitz“. Sie kann und will sich mit der großen Ausstellung des Frühjahrs in Weimar nicht messen, hat ihr aber einen Höhepunkt voraus: die gleichzeitige Präsentation beider Winckelmann-Bildnisse, Original und Kopie (oder gar Replik?) des berühmten Porträts von Anton von Maron, das der Dargestellte selbst in Auftrag gegeben und bis ins Kleinste mit dem Künstler festgelegt hatte. Das Original, für einen preußischen Adligen bestimmt, zählt heute zum Bestand der Klassik Stiftung Weimar, die Kopie bestellte sich der Fürst, der es als Zeichen seiner besonderen Wertschätzung im Schlafzimmer aufhängen ließ.

Beide Gemälde hängen jetzt über Eck in einem der kleinen Zimmer, und es ist kein Unterschied zwischen ihnen auszumachen. Der Briefwechsel, den Fürst und Forscher bis zu dessen Tod unterhielten, ist leider verloren gegangen; so müssen andere Briefe den hohen Stand der Schriftkultur im Zeitalter der Aufklärung bezeugen, dazu zahlreiche Bücher, die man damals europaweit las. Winckelmann, 1717 in sehr kleinen Verhältnissen in Stendal geboren und mit zähem Willen aufgestiegen, konnte die standesübergreifende Wertschätzung des fast eine Generation jüngeren Fürsten kaum fassen. Vom ersten Besuch berichtet er, Franz zitierend: „Ich bin von Dessau, sagte er, mein lieber Winckelmann; ich komme nach Rom, zu lernen, und ich habe Sie nöthig.“

Antikenbegeisterung angefacht durch Winckelmanns Schriften

Als Franz in Rom weilte, war gerade erst die Villa Albani als prachtvoller Landsitz des Kardinals Albani fertiggestellt worden, ausdrücklich zur Präsentation dessen umfangreicher Antikensammlung bestimmt. Jakob Philipp Hackert – übrigens Goethes Lieblingsmaler – schuf Jahre später, 1779, eine Vedute der Villa, damals in freier Landschaft gelegen, und Franz erwarb das Gemälde auf Anraten Erdmannsdorffs. Winckelmann wiederum hatte für den Kardinal dessen Sammlung inventarisiert und verlieh ihr als anerkannter Experte der Antike höhere Weihen. Eine vorangehende Sammlung hatte Albani nach Dresden verkauft; auch das ein Beleg für den internationalen Austausch, der von der Antikenbegeisterung noch beflügelt wurde.

Die bestand bereits lange vor Winckelmann, wurde aber durch dessen wie ein Lauffeuer in Europa sich verbreitende „Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst“ von 1755 mächtig angefacht und durch nachfolgende Schriften wie der „Geschichte der Kunst des Alterthums“ wissenschaftlich untermauert.

„Edle Einfalt“ und „Stille Größe“

Kardinal Albani schenkte dem Fürsten zum Abschied im Frühjahr 1766 die „Statuette des trunkenen Herakles beim Wasserlassen“. Im Schloss ließ Franz die 52 Zentimeter hohe Marmorskulptur, eine römische Kopie des 1. Jahrhunderts, auf einer Kommode im Schlafzimmer aufstellen, zusammen mit einer Bronzestatuette eines Satyrs nach antikem Vorbild, wie sie damals in Rom für wohlhabende Touristen angefertigt wurden.

All das ist in der jetzigen Ausstellung zu sehen, die eine Sehnsuchtsantike vor Augen stellt. Das so missverständliche Wort Winckelmanns von der „edlen Einfalt“ und „stillen Größe“, mit dem er die „große und gesetzte Seele“ im Ausdruck der griechischen Figuren beschrieb, wird hier, gerade im Kleinen der Wörlitzer Sammlungsstücke, anrührend fassbar.

Dessau-Wörlitz, Haus der Fürstin, bis 17. September. Katalog im Mitteldeutschen Verlag Halle, 17,95 €.

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