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Ganz in Weiß. Helmut Dietl kultivierte den bodenständigen Lebemann. Hier entspannt er sich bei den Dreharbeiten zu „Der ganz normale Wahnsinn“ (1979). Zwei Jahre später feierte er mit „Monaco Franze“ den Durchbruch.

© Helmut-Dietl-Archiv / Deutsche Kinemathek

Nachlass von Helmut Dietl: Der bayrische Dandy

Das Berliner Filmmuseum gibt in der Ausstellung „Schwermut und Leichtigkeit“ einen ersten Einblick in den Nachlass von Regisseur Helmut Dietl.

Das hätte Helmut Dietl gefallen. Das Lichtermeer aus Kerzen in seiner besten Komödie „Rossini“, die der Kneipenwirt Paolo Rossini (Mario Adorf) dem verehrten Schneewittchen (Veronica Ferres) entzünden lässt, bricht sich im Spiegelsaal des Filmhauses am Potsdamer Platz in unendlicher Vervielfältigung. Das ist der Wow-Effekt in der kurzweiligen Kompilation aus Film- und Serienausschnitten, die dem Werk des 2015 im Alter von 70 Jahren verstorbenen Regisseurs gewidmet ist. Und zwar unter dem einzig möglichen Themenschwerpunkt des selbst ernannten Melodramödikers: der Suche nach Liebe, dem Scheitern derselben und den ewigen Missverständnissen zwischen Männern und Frauen.

Schwermut und Leichtigkeit klingen darin an, sie geben der Minischau der Deutschen Kinemathek, mit der sie einen ersten Einblick in den im vergangenen Jahr erhaltenen Nachlass Dietls gewährt, auch ihren Titel. Den aufzuarbeiten, dauere noch fünf Jahre, weiß Kuratorin Klaudia Wick. Einstweilen sind Leben und Werk des Autors, Regisseurs, Produzenten, der es mit fünf Fernsehserien und ebenso vielen Kinofilmen zum größten deutschen Filmsatiriker der Nachkriegszeit brachte, nur anhand erster, aus 250 Kisten gehobener Schätze nachzuvollziehen.

Liebesbriefe gingen zurück an die Absenderinnen

„Mein Mann war ein Sammler, der hat nie was weggeschmissen“, sagt seine Frau am Telefon. Tamara Dietl, die am Donnerstag aus München zum Eröffnungsabend anreist, muss es wissen. Sie hat den Kostüme, Drehbücher, Fotos, Firmenakten, Briefwechsel, Notizbücher, Filmaufnahmen und vieles mehr umfassenden Nachlass auf Wunsch ihres Mannes vorsortiert. Schließlich gehört nicht alles, was ein Künstler hinterlässt, automatisch dem kulturellen Erbe seines Landes. „Es ist ja kein Geheimnis, dass mein Mann viele Frauen hatte, deren Liebesbriefe und Fotos habe ich beispielsweise an die Absenderinnen zurückgegeben.“

Weniger verfängliche Schriftwechsel sind jetzt auszugsweise in fünf Vitrinen zu ausgestellt. Darunter auch ein Brief von Thomas Gottschalk, mit dem Dietl 1999 die böse Fernsehsatire „Late Show“ gedreht hat. „Lieber Helmut, wie ich höre, tanzt du mit den Großen der Welt in Cannes, während ich in Klein-Grünwald Spiegeleier brate“, fängt das exakt getippte Schreiben des Showmasters von 1997 an. Individueller aufgemacht, nämlich mit einem gezeichneten Selbstporträt verziert, ist ein Brief von Hannelore Hoger, die nach dem „Rossini“-Dreh harft: „Weißer Mann, die Arbeit mit Dir war sehr schön und hat mir wohlgefallen.“

Dietl nutzte das Regionalfernsehen als Experimentierfeld

Dass Dietl, die bodenständig-bayerische Ausgabe eines Dandys, am liebsten Weiß trug, obwohl seine Psyche immer wieder in schwermütigem Schwarz versank, ist auch auf den herrlichen Setfotos zu sehen, die sich zusammen mit Storyboards, Drehbüchern, Preisurkunden und Kostümen (Götz Georges weißer Prunkbademantel aus „Schtonk“, Heino Ferchs goldenes Hermes-Gewand aus „Vom Suchen und Finden der Liebe“) in den beiden Räumen finden. Ergänzt werden sie durch das komplette filmische Werk Dietls, das sich – ebenso wie Interviews mit ihm – in der Mediathek an sechs Stationen anschauen lässt. Hier wird endgültig der heute im öffentlich-rechtlichen Fernsehen unmögliche Aufstieg eines Regisseurs deutlich, der in den Siebzigern und Achtzigern das regionale „Dritte Programm“ als Experimentierfeld nutzen darf, um dann mit „Monaco Franze“ (1983) bundesweit im Abendprogramm und schließlich im Kino zu reüssieren.

Dass Dietls Dinge nun ausgerechnet in Berlin eine Heimat finden, hat Tamara Dietl Bauchschmerzen bereitet. Schließlich hat ihr Mann Berlin gerne mal als „Hurenhauptstadt“ bezeichnet und den Flop seines einzigen hier spielenden Films „Zettl“ (2012) erst nach einer massiven Depression verwunden. Immerhin hat sie der Dietl-Stadt München schon 2016 zusammen mit Claudius Seidl, der an einer Biografie schreibt, eine Ausstellung im Literaturhaus beschert. Die Entscheidung für Berlin fiel nach einem Mittagessen mit Dietls alten Freunden Patrick Süskind, dem Medienanwalt Mathias Schwarz und dem Produzenten Günter Rohrbach. „Ich habe sie gefragt, was sie davon halten, den Nachlass nach Berlin zu geben“, erzählt sie. Alle drei waren dafür. „Da ist er bei Marlene Dietrich und Bernd Eichinger besser aufgehoben, als in einem Stadtarchiv zu versauern.“ Wie richtig das war, lässt schon diese Kostprobe einer hoffentlich geplanten Sonderausstellung erahnen.

Museum für Film und Fernsehen, 29.6.-30.9., Mi-Mo 10-18, Do 10-20 Uhr, Eröffnung Do 28.6., 19 Uhr, mit Schauspielerin Michaela May und Fotografin Karin Rocholl im Gespräch über Helmut Dietl

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