zum Hauptinhalt
Der US-amerikanische Sänger David Hasselhoff.

© Sina Schuldt/dpa

David Hasselhoff live in Berlin: „Dreißig Jahre Freiheit“

David Hasselhoff sang in Berlin noch einmal seinen Mauerfall-Hit „I've been Looking for Freedom" und verkündete: „Ich bin ein Berliner“.

Manche kommen lichterketten-umwickelt und mit schwarz-weißem Keyboard-Schal. Genau in diesem Spezialfall der Herrenkonfektion ließ sich David Hasselhoff am 31. Dezember 1989 am Brandenburger Tor in den Himmel über Berlin heben und sang "I've been Looking for Freedom". Den Song, der für viele zum Soundtrack des Mauerfalls wurde.

Andere kommen in Knight-Rider-Jacken. Knight Rider war dieser TV-Typ Mitte der Achtziger Jahre eines vergangenen Jahrhunderts, der mit seinem Auto sprechen konnte. Die Inspiration war Hal, der böse Bordcomputer aus Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum", aber dieses Auto, KITT genannt, besaß eher die Seele seines Fahrers, eine Hasselhoff-Seele, vorsätzlich gut. Wahrscheinlich hatte KITT auch "Positiv denken" gelesen.

Die Max-Schmeling-Halle im Prenzlauer Berg füllt sich, aber ausverkauft ist sie nicht, und eins ist klar: Ein Seniorenkonzert wird das hier keineswegs. Für die meisten hier dürfte "I've been looking for freedom" zur frühkindlichen Musikerziehung gehört haben.

Der ganze Saal fixiert die Bühne, dann plötzlich steht er hinter ihnen, auf einem Leuchtturm, fast zwei Meter groß, 30 Jahre älter, im hochgeschlossenen grauen Jackett. 2010 nannten britische Forscher eine in der Nähe der Antarktis entdeckte Tiefsee-Krabbenart The Hoff Crab. Die dichtstehenden Borsten der Krabbe hatten sie an Hasselhoffs Oberkörper erinnert. Aber den zeigt er jetzt nicht wie auf den Plakaten.

Er singt "Here I go again", das kennt fast keiner. Hasselhoff hat Ende September eine neue Platte herausgebracht, "Open Your Eyes". Wann, wenn nicht jetzt? Er ist 67, er will es noch einmal wissen. Here I go again?

Hasselhoffs volle Stimme füllt mühelos den Saal

Der Saal versteht sofort, wie es auch gemeint ist: Here we go again! Stampfende Zuversicht. Hasselhoffs dunkle, volle Stimme füllt mühelos die Halle, seine Songs kann man gewöhnlich mitsingen, selbst wenn man sie zum ersten Mal hört, und manche machen das schon. "Thirty years of freedom!", ruft Hasselhoff in den Saal, ruft es gleich drei Mal, und dann: "Ich bin ein Berliner!" Das dürfte nicht jeder. Er schon. Es kann auch nicht jeder einfach mit einer Flasche Wasser da vorn stehen, gar nichts machen, nur ins Publikum lachen. Und irgendwie ist das ein Auftritt.

Hasselhoffs Weg auf die Bühne war im Grunde ganz einfach. Er spielte als Kind den Haushofmeister in "Rumpelstilzchen" und hatte nur einen Satz: "Hier kommt der König!" Ein sehr guter Satz, und er wusste, hier will ich bleiben, on stage. Ich bin ein Sänger, der auch Schauspieler ist! So hat er sich immer verstanden. Aber lange hat ihm das keiner geglaubt.

"On a Saturday Night" von seinem "Night Rocker"-Album. Das war die Platte Mitte der Achtziger, deren spezifischen Erfolg Hasselhoff einmal so zusammenfasste: Sie habe sich in den USA sieben Mal verkauft, "drei Exemplare hatten meine Eltern genommen, drei ich selbst, und eine ist noch an irgendeinen Spinner weggegangen."

Als der Sänger 1989 oben auf dem Kran stand, und die Massen für ihn sein Lied sangen, kamen ihm wohl auch darum die Tränen, weil er so ganz andere Silvester kannte: zum Bespiel das zwei Jahre zuvor, er hatte es ganz allein in Los Angeles gefeiert, mit sechs Hunden, zwei Katzen und vier Papageien. Einer hieß Winston und konnte "I left my heart in San Francisco" in f-moll singen. Der Papagei war ohne Zweifel erfolgreicher als er. Und "Knight Rider" war auch eingestellt worden.

Hasselhoff steht im Guiness-Buch der Rekorde

Hasselhoff dreht sich um, zieht das T-Shirt hoch und da steht es groß auf seinem Rücken: "Don't hassel the Hoff!"  Ärgere nicht David Hasselhoff! Das haben schon so viele versucht, zuletzt wohl Darran Grants Film "Killing Hasselhoff" 2017. Vielleicht weil manchen ein Liedgut Schmerzen bereitet, in dem sich "sunshine" vorzugsweise auf "funtime" reimt, womit die Aussage bereits ihre maximale Tiefe erreicht hat. Aber hier stört das niemanden, die Halle singt mit, in beeindruckender Lautstärke. Und dann: Na-na-na-na- ... -hey-hey-hey-hassel-hoff. Der Chor bleibt. Es ist nicht einfach für eine Einzelstimme, solche Vokalteppiche zu übertönen, und doch: Sie tragen. Und wie sie tragen. 

2006 schaffte Hasselhoff es ins Guiness-Buch der Rekorde. Aber womit? Als "most watched TV star in history". An solchen Auszeichnungen kann man zerbrechen. Vielleicht gibt es keinen uneitleren Menschen als Hasselhoff. Andere würden nie Fremdmusik in ihren Konzerten singen, er aber singt, was er mag, ob "Country-Roads" - natürlich hat er eine Country-Stimme - Frank Sinatras "That's live", sehr gern auch Neil Diamond.

Er singt "Mit 66 Jahren" von Udo Jürgens

Und jedes mal klingt es anders gut. Er borgt sich die Songs höflich aus, er will sich nicht daran profilieren, und gibt sie gewissermaßen mit einer Verbeugung wieder zurück. So auch Udo Jürgens' "Mit 66 Jahren". Hasselhoff weiß, wovon sein Freund sang, die Kopfzeile lässt sich rhythmusbedingt nicht übersetzen, also singt Hasselhoff sie auf deutsch, wobei er vor der Lautgestalt der "sechsundsechzig" jedes Mal steht wie vor der Berliner Mauer.

Das Land dahinter sah er schon, als sie noch stand, weil er für einen Film über Dean Reed im Gespräch war, den amerikanischen Sänger und Schauspieler in der DDR. Er wollte das Land kennen, in dem Reed lebte, und fragte seinen Produzenten sichtlich beklommen, wie lange die Mauer denn wohl noch stehen würde. Die Antwort lautete sinngemäß: Für immer. Aus Unbehagen an dem genannten Zeitraum fuhr Hasselhoff ab sofort mit seinem KITT auf der Bühne Styropor-Mauern ein, und dann ging alles ganz schnell. Darum glaubt er bis heute, dass sein Anteil am Mauerfall unterschätzt werde.

Vergangenheit wird zur reinen Gegenwart

Dafür singt er jetzt ein ungemein sentimentales Duett mit Blümchen und lässt als Mauerheld David Bowie den Vortritt: "We can be heros just for one day." Helden für einen Ewigkeitstag, und der lag für viele schon vor dem 9. November. Ob Hasselhoff spürt, dass Bowie die eigentliche Geschichte des Herbstes '89 erzählte?

Aber dann überrollt die 30-Jahre-Party-Freiheit die Halle. Es war ein alter deutscher Schlager, "Auf der Straße nach Süden", den Produzent Jack White für Hasselhoff aus dem Archiv gezogen hatte. Und der zeigte anfangs die größte Neigung, fest auf Platz 220 der deutschen Charts zu verharren. Aber dann passierte es doch. Das Lied zur deutschen Einheit war geboren. Hasselhoff singt es wie vor dreißig Jahren, eher besser. Das kann so nur die Musik: Vergangenheit zur reinen Gegenwart machen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false