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Cheese! Das Ensemble von „Das perfekte Geheimnis“, darunter Henriette Richter-Röhl und Tobias Licht in Aktion.

© Franziska Strauss

„Das perfekte Geheimnis“ in der Komödie am Kurfürstendamm: Handys raus, Hosen runter

Wenn Bürger sich selbst zerlegen: „Das perfekte Geheimnis“ von Paolo Genovese ist eine kurzweilige Salonkomödie über die Tücken der modernen Kommunikation.

Es soll ja immer noch Menschen geben, die Datenschutz für ein Anliegen von verschrobenen Menschen halten und denen es egal ist, welche Techkonzerne und Spionagedienste über ihre Kommunikation wachen, denn: sie haben ja nichts zu verbergen. Wirklich? Ganz sicher? Die berechtigen Zweifel an dieser Haltung nährt jetzt auch ein Stück, das die Komödie am Kurfürstendamm im Theater am Potsdamer Platz zur Premiere gebracht hat: „Das perfekte Geheimnis“.

Das beginnt im klassisch-heiteren Salon-Setting – ein Paar mit spürbar schwelenden Problemen hat sich Gäste eingeladen – und nimmt dann alsbald die Wende in eine katastrophische Kette von auffliegenden Lügen, Betrügereien und Vertuschungsversuchen.

Der Inszenierung von Martin Woelffer zugrunde liegt die italienische Komödie „Perfetti Sconosciuti“ von Paolo Genovese, der in etlichen Ländern nachverfilmt wurde – auch in Deutschland von Bora Dagtekin, mit höchst prominenter Besetzung (darunter Karoline Herfurth, Jella Haase, Elias M’Barek und Florian David Fitz).

Im Yasmina-Reza-Stil

Der Erfolg ist leicht erklärlich, Genovese hat sich einen Storytwist einfallen lassen, der so andockfähig wie furchteinflößend ist: Die Abendgesellschaft, die sich beim Schönheitschirurgen Robert (in der Kudamm-Version: Tommaso Cacciapuoti) und seiner Frau, der Therapeutin Eva (Tessa Mittelstaedt) einfindet, beschließt aus einer Spiellaune heraus die vollständige Offenlegung ihrer privaten Kommunikation. Handys auf den Tisch, Hosen runter.

Wer textet jetzt wieder? Das Ensemble von „Das perfekte Geheimnis“, darunter Tobias Licht und Jenny Löffler in Aktion.
Wer textet jetzt wieder? Das Ensemble von „Das perfekte Geheimnis“, darunter Tobias Licht und Jenny Löffler in Aktion.

© Franziska Strauss

Jede eingehende Nachricht oder Mail muss vorgelesen werden, Telefonate werden für alle hörbar auf Lautsprecher gestellt. Ausnahmen sind nicht erlaubt, bedingungslose Ehrlichkeit lautet das Programm. Ein Harakiri-Unterfangen des Smartphone-Zeitalters. Schon zu Beginn des Abends hat Eva prophetisch in die Runde gefragt: „Wie viele Paare würden sich wohl tagtäglich trennen, wenn der eine einen Blick ins Handy des anderen werfen würde?“. Die Antwort gibt es mit fortschreitender Spieldauer.

Während bei Mark (Tobias Licht) und Charlotte (Henriette Richter-Röhl) die Abgründe recht offen zu liegen scheinen – es herrscht Sexflaute, weil seine Mutter bei ihnen eingezogen ist – geben Carlo (Karim Cherif) und seine Frau Bianca (Jenny Löffler) das frischverliebte Musterpaar mit Kinderwunsch. Eine Fassade, die ebenso einstürzen wird wie die Behauptung des allein aufgetauchten Ben (Oliver Dupont) implodiert, dass seine Freundin Ulrike wegen einer Magendarm-Infektion nicht mitkommen konnte.

Auch bei den Gastgebern Robert und Eva liegt mehr im Argen als die Meinungsverschiedenheit über die richtige Erziehung der Teenie-Tochter Sofia (Nica Heru), der auf dem Weg zu einer Party die Kondome aus der Tasche purzeln. Dass Mark schließlich in Panik vor dem digitalen Offenbarungseid einen heimlichen Handy-Tausch mit Ben arrangiert, macht den Verlauf dieses Bekenntnis-Abends nicht weniger brisant.

Nun lässt sich mit Recht fragen, weshalb Menschen, die voreinander durchaus schwerwiegende Geheimnisse haben, sich überhaupt auf so ein risikoreiches Spiel einlassen sollten. Vielleicht liegt der Fall ähnlich wie damals beim Fußballtrainer Christoph Daum, der sich trotz Kokainkonsums zu einer öffentlichen Haarprobe bereit erklärte – mit Verweis aufs reine Gewissen. Schluckt man diese Prämisse, ist jedenfalls eine hoch vergnügliche, kurzweilige, toll gespielte Inszenierung von Martin Woelffer zu erleben. Zumal die Theaterfassung – im Gegensatz etwa zur deutschen Verfilmung – auf einige überflüssige homophobe Entgleisungen und andere Grobheiten verzichtet.

In den besten Momenten blickt „Das perfekte Geheimnis“ mit Yasmina-Reza-artiger Bosheit auf ein Bürgertum, das sich selbst zerlegt. Die Moral von der Geschichte formuliert Oliver Duponts Ben: „Wäre doch schade, wenn niemand mehr etwas zu verbergen hätte.“

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