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Das Luther-Denkmal in Wittenberg, zu dem Schinkel Sockel und, im Hintergrund, Baldachin beisteuerte.

© dpa

Das Lebenswerk des Karl Friedrich Schinkel: Der erste Denkmalschützer

Karl Friedrich Schinkel prägte preußische Architektur. Nun ist eine epochale Reihe zu seinem Lebenswerk vollendet. Darin zeigt sich der Künstler auch als strenger Inspekteur.

Zum Reformations-Jubiläum 2017 wird es Ausstellungen zuhauf geben; ein Denkmal jedoch, wie 200 Jahre zuvor, wird nicht errichtet werden. Damals, 1817, wurde der Grundstein zum Luther-Denkmal in Wittenberg gelegt, einem Hauptort der Reformation, der seit 1815 zur neu gebildeten preußischen Provinz Sachsen gehörte. Karl Friedrich Schinkel, damals noch am Beginn seiner Bautätigkeit für Preußen, erhielt den Auftrag, dem Bronzestandbild Johann Gottfried Schadows einen granitenen Sockel und gusseisernen Baldachin hinzuzufügen. Schinkel wählte ganz selbstverständlich den gotischen Stil, der als der „vaterländische“ schlechthin galt. 1821 war das Denkmal fertig, es steht bis heute unverändert da.

Die Einzelheiten dieses Projekts sind nachzulesen im jetzt erschienenen Band XXII des „Karl Friedrich Schinkel Lebenswerks“, einem wahrhaft epochalen Unternehmen, dessen Anfänge bis 1931 zurückreichen. Stillstand, Abbrüche und mühsame Wiederaufnahmen kennzeichnen das Schinkelwerk, das seine beiden ersten Herausgeber – immer noch „Schriftleiter“ genannt – ebenso überlebt hat wie zahlreiche Bearbeiter. So auch beim vorliegenden Band „Sachsen“, der seit 1932 durch mehrere Hände ging, bis er zu Eva Börsch-Supan gelangte, die mit ihrem Mann und derzeitigem Haupt-Herausgeber Helmut Börsch-Supan Herkulisches geleistet hat, um das Schinkelwerk zum Abschluss zu bringen. Jetzt ist mit dem Band „Sachsen“ der 15. und letzte zu den preußischen Tätigkeitsgebieten Schinkels erschienen.

Karl Friedrich Schinkel war kein bequemer Zeitgenosse

Besondere Bauten des preußischen Architekten waren darin nicht zu erwarten. Im Zentrum seiner späten Lebensjahre stand die Tätigkeit als Oberbauinspektor. So enthält der Band zwei Berichte von Inspektionsreisen, 1833 durch die Provinz Sachsen, zwei Jahre später durch die Altmark. Schinkel hatte viel mit Denkmalpflege zu tun, musste Bauleiter aufrütteln, arbeitete sich an der Bürokratie ab. So tadelt er entstellende Einbauten im Dom zu Erfurt: „ ... wobei nur unbegreiflich bleibt, wie dies unter den Augen der k(öniglichen) Regierung durchgehen konnte, da diese doch wie beim jetzigen Bau die controllirende Behörde war.“

Gewiss war Schinkel kein bequemer Zeitgenosse. Schon im August 1815, noch ganz am Beginn seiner beispiellosen Karriere, verfasste er ein Memorandum, das „zum Ausgangspunkt einer Denkmalpflege in Preußen“ wurde, wie es im Buch heißt. Darin regt er die Einrichtung von „Schutz-Deputationen“ für Altertümer an, darüber hinaus die Erstellung eines Denkmalsverzeichnisses, um „nationale Bildung und Interesse in das frühere Schicksal des Vaterlandes zu befördern“. Der Volksbildungsgedanke durchzieht das Memorandum. So sollen die zu einem Baudenkmal gehörenden Objekte, etwa Altarbilder, in geeigneten Räumen ausgestellt werden, „wo sie genießbar, erbauend und belehrend für das Volk werden können“ – „vielleicht auch mit einigen erklärenden Notizen versehen.“

Bei Friedrich Wilhelm III. fand Schinkel ein offenes Ohr

Schinkel fügt zwei Beispiele an, die den mangelnden Umgang mit Altertümern illustrieren. Zum einen den Dreikönigsschrein im Kölner Dom, der vor Napoleon in Sicherheit gebracht, dabei jedoch beschädigt wurde, zum anderen das Grab Karls des Großen im Aachener Dom, das geplündert und in alle Winde zerstreut worden war. „Diese Beispiele von dem Schicksal unserer wichtigsten Monumente sind gewiss hinreichend“ – fügt er spitz hinzu – „darzuthun, „wie überaus nothwendig ist, daß die Besetzung höherer Stellen mit einem bedeutenden Einfluß auf diese Gegenstände von nun an nicht mehr nach der Zahl der Ahnen bestimmt werden können, sondern daß es dazu anderer Qualifikationen bedarf."

Natürlich war es ein weiter Weg vom Memorandum von 1815 bis zur Einrichtung einer wirksamen Denkmalschutzbehörde. Doch immerhin fanden Schinkel und seine Gesinnungsfreunde beim König ein offenes Ohr. Nicht einmal zwei Monate nach dem Memorandum verfügte Friedrich Wilhelm III., dass „bei jeder wesentlichen Veränderung an öffentlichen Gebäuden oder Denkmälern“ die Oberbaudeputation um Zustimmung angefragt werden müsse – die Schinkel leitete. In anderen Provinzen fand er gewichtigere Aufgaben als im preußischen Sachsen, doch spiegelt der vorliegende Band gerade darum den arbeitsreichen und mit tausenderlei Gutachten gefüllten Alltag des Architekten und Beamten Schinkel eindrucksvoll wider.
Karl Friedrich Schinkel. Die preußische Provinz Sachsen. Schinkelwerk Bd. XXII, Deutscher Kunstverlag, München 2014, 725 S., 168 €

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