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Das Blau des Kaftans von Maryam Touzani

© Les films du nouveau monde, Ali n’ Productions, Velvet Films

„Das Blau des Kaftans“ im Kino: Liebe wie Samtstoff

Die marokkanische Filmemacherin Maryam Touzani widmet in „Das Blau des Kaftans“ dem Handwerk genauso viel Aufmerksamkeit wie dem verstohlenen Begehren ihrer Figuren.

Langsam, fast zärtlich gleitet die Kamera über den petrolfarbenen, in Falten aufgeworfenen Samtstoff, erkundet ihn wie einen begehrten Körper. Halim (Saleh Bakri) ist ein Maalem, ein Kaftan-Schneidermeister, mit seiner schwer kranken Frau Mina (Lubna Azabal) betreibt der stille Mann in der Medina von Salé eine traditionelle Werkstatt. Die Handwerkskunst ist am Aussterben, viele Kundinnen wissen die hochwertige Arbeit nicht mehr zu schätzen und werden unwirsch, wenn es nicht schnell genug geht. Halim, der die Kunst von seinem Vater gelernt hat, näht noch jeden Stich von Hand, seine Kaftane sollen, wie er selbst sagt, „der Zeit standhalten“.

Stiche zu kunstvollen Ornamenten

Die marokkanische Filmemacherin Maryam Touzani widmet sich in „Das Blau des Kaftans“ der Schneiderkunst mit einer Sorgfalt, die man in Filmen über die Welt der Mode meist vermisst. Immer wieder sieht man Hände, die über den Stoff streichen, wie der Goldfaden zur Kordel gedrillt wird und sich die Stiche zu kunstvollen Ornamenten verbinden. Die Zugewandtheit und Liebe, mit der Halim seine Arbeit verrichtet, weisen aber von den ersten Bildern des Films an auf einen anderen Schauplatz: den Körper und das sexuelle Begehren.

Im Hamam zieht sich Halim gelegentlich mit einem fremden Mann in eine Einzelkabine zurück, die Kamera bleibt stets vor der Tür. Einmal sieht man durch einen Spalt zwei paar Füße, ihre wechselnden Positionen erzählen, was das Bild verbirgt. Touzanis Diskretion scheint dabei weniger dem Umstand geschuldet, dass das heimische Publikum mit dem Thema Homosexualität nicht überfordert werden soll – Sex zwischen Männern wird in Marokko mit Gefängnis bestraft. Nie möchte der Film weiter gehen, als es Halims Schamgefühle zulassen. Ebenso diskret ist der Umgang mit Minas Krankheit.

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Überhaupt ist „Das Blau des Kaftans“ ein Film der Andeutung und Zurückhaltung. Anfangs herrscht eine unausgesprochene Spannung zwischen dem Ehepaar, erst allmählich öffnet sich ein Raum für ihre Vertrautheit, für all die kleinen Rituale in ihrem geteilten Leben, den gemeinsamen Humor. Als mit Youssef (Ayoub Missioui) ein neuer Lehrling in der Werkstatt anfängt, bricht Halims Fassade auf. Wenn er dem jungen Mann beim Zuschneiden des Stoffes die Hand führt oder wenn Youssef dem Meister das Maßband um den Hals legt, ist die Arbeit am Stoff nicht mehr Sublimierung, sondern ein Medium, das das verschüttete Begehren erweckt hat.

Aufmerksamkeit für jeden Handgriff

„Das Blau des Kaftans“ ist wie ihr Debüt „Adam“ weitgehend ein Kammerspiel, im Zentrum stehen die zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich parallel zu der Anfertigung eines schmuckvollen Kaftans entfalten. Manchmal hängt Touzani allzu brav an der Idee der Figurenentwicklung, sowohl Mina, deren Krankheit immer weiter voranschreitet, als auch Halim haben Aufgaben zu erledigen. Ihre Intimität und die Aufmerksamkeit, die der Film jedem ihrer Handgriffe und Gesten schenkt, kann die mechanische Konstruktion nur zum Teil auffangen.

Die Kamera von Virginie Surdej, die bereits in „Adam“ für das süße, in Fett gebackene Gebäck sensuelle Bilder geschaffen hat, arbeitet hauptsächlich mit Close-ups. Wenn sie gerade nicht in den Gesichtern forscht, gilt ihr Interesse Stoffoberflächen, gestickten Borten und Knöpfen. Etwas Reines, fast Heiliges umgibt die Schneiderkunst wie die Figuren. Ihre von Fürsorge und Liebe getragene Dreierkonstellation hat nichts mit den Beziehungsszenarien zu tun, von denen das Kino so gerne erzählt.

Bei allem Tabubruch – am Ende verstößt Touzani auch noch gegen die islamischen Bestattungsregeln – ist dem Film alles Kämpferische und Scharfe fremd. Seine Gesten sind groß, aber ohne Pathos. Alles vollzieht sich mit der Behutsamkeit eines von Hand gesetzten Stichs.

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