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Unternehmungslustig. Der britische Dirigent Sir Roger Norrington.

©  Manfred Esser

Roger Norrington beim DSO: Das Beste kommt zum Schluss

Martinů und Mozart: Der britische Dirigent Sir Roger Norrington zu Gast beim Deutschen Symphonie-Orchester.

Tiefsinn vorzutäuschen ist Roger Norrington immer schon wesensfremd gewesen. Während Kollegen im höheren Alter eine Aura priesterlicher Unnahbarkeit errichten und ihr Repertoire auf einen Kanon unbezweifelter Meisterwerke verengen, zeigt der mittlerweile 84-jährige, als Originalklang-Experte berühmt gewordene Dirigent in diesem Lebensabschnitt erst recht Unternehmungslust und Entdeckerfreude. Im letzten Jahr vollendete er mit dem Deutschen Symphonie-Orchester einen Zyklus mit Ralph Vaughan Williams’ Symphonien, ab dieser Spielzeit kommen nun alle sechs Gattungsbeiträge von Bohuslav Martinů an die Reihe. Das erste Konzert der Serie vermittelt den Eindruck, dass sich die Unternehmung unbedingt lohnt, zumal der Symphoniker Martinů  in Deutschland nach wie vor nahezu unbekannt ist.

Auch aus der ersten Symphonie des tschechischen Komponisten nimmt man keine prägnanten Themen oder gar Melodien mit nach Hause; aber in der Verbindung von ausgetüftelten Details und großen dramaturgischen Bögen, den Anklängen an slawische Harmonik und Motivik sowie der rhythmischen Schärfe, die offensichtlich Strawinsky einiges verdankt, ist dem moderaten Modernisten hier doch ein in der Gesamtwirkung überzeugendes Werk gelungen. Einen geradezu unheimlichen Eindruck rufen die chromatischen Skalen des Beginns hervor, die sich abwechselnd in massiven Dur- und Moll-Akkorden entladen und das rasant seinem Ende entgegen eilende Scherzo. Norrington lässt auch hier fast ohne Vibrato spielen; eine Maßnahme, die das Pathos der im Weltkriegsjahr 1942 entstandenen Komposition eindrucksvoll unterstreicht.

Norrington freut sich über den Applaus zwischen den Sätzen

Im ersten Teil des Konzerts erklingt Mozarts aus einer Serenade kompilierte Symphonie KV 250. Gerade wegen Norringtons eher robustem und leicht ironischem Zugriff gewinnen beiläufig unterspielte harmonische Überraschungen, ins Pianissimo zurückgenommene Passagen oder die gewichtige langsame Einleitung zum Finale magische Wirkung. Die insgesamt etwas zu dominanten Streicher spielen breit und gleichzeitig brillant, es hat einen speziellen klanglichen Reiz, wenn im letzten Satz von Mozarts Symphonie die Blechbläser die unter ihnen ablaufenden Figuren der Querflöte eben doch nicht ganz überdecken.

Wenn Norrington sich über den Applaus zwischen den Sätzen freut, Beifall an seine Musiker weiterleitet oder gelegentlich aufs Dirigieren ganz verzichtet, wirkt das eine Spur kokett, aber gleichzeitig aufrichtig uneitel. Und durchgängig merkt man dem Orchester an, wie gern es mit diesem Dirigenten musiziert und wie bereitwillig dessen Impulse aufgegriffen werden.

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