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Sakari Oramo

© Benjamin Ealovega

Das BBC Symphony Orchestra beim Musikfest: Leuchten in der Herbstnacht

Satanisches Fest, eigensinnige Blüten: Das BBC Symphony Orchestra und Dirigent Sakari Oramo beim Musikfest Berlin.

Wenn etwas glattgeht, ist es keine Kunst. Diese sprichwörtliche Wahrheit bildet das Verbindungsnetz zwischen den Komponisten, die das BBC Symphony Orchestra für seinen Auftritt beim Musikfest zusammengespannt hat. Modest Mussorgski blieb trotz vernichtender Kritik seiner Lehrer stur und hinterließ verstörende Bruchstücke. Jean Sibelius wurde als Geiger wie als Komponist abgekanzelt und verstummte vor der Zeit in Selbstzweifeln. Olga Neuwirth wollte Jazz-Trompeterin werden, bis ein Unfall das verhinderte. Louis Andriessen hasst „das Geschrei der Sänger in der romantischen Oper“ und verzichtet in seinen Kompositionen dennoch nicht auf die Stimme.

An Widerständen herrscht also kein Mangel bei diesem Besuch aus London. Chefdirigent Sakari Oramo sucht mit seinen Musikerinnen und Musikern aber nicht das äußere Drama, nicht die aufgepeitschte Oberfläche der Musik. Das wird gleich bei Mussorgskis „Nacht auf dem kahlen Berge“ deutlich, bei der der Wind grässlich heult und die Geister ein satanisches Fest feiern. Oramo lädt das Geschehen nicht suggestiv auf, er nähert sich der Musik betont nüchtern, was ihre nur schwer gebändigte Haltlosigkeit umso bestürzender hervortreten lässt.

Sternsockige Teenagerin

Wenn die Opposition zum Operngesang doch öfter so eigensinnige Blüten treiben würde wie bei Andriessens Liederzyklus „The Only One“. Komponiert hat ihn der 80-Jährige für die Stimme von Nora Fischer, der Tochter des Dirigenten Iván Fischer, die von klassischer Musik umgeben aufwuchs, aber nie Opern singen wollte. Nun durchläuft sie auf der Bühne der Philharmonie eine Verwandlung von der sternensockigen Teenagerin zur Kostümträgerin in High Heels. Die hintergründigen Gedichte von Delphine Lecompte lassen keinen Zweifel daran, dass wir auf dem Weg der Anpassung weit mehr als nur unseren Babyspeck verlieren.

Dem Verlust der ersehnten Jazz-Karriere sendet Neuwirth mit „..miramondo multiplo“ für Trompete und Orchester einen zauberhaften Gesang nach, mit Anklängen an Mahlers Fanfaren und Händels Wettstreit zwischen Enttäuschung und Lebensfreude. Dagegen, dass bei Händel der Zahn der Zeit gewinnt, erhebt Hakan Hardenberger schnaubenden Einspruch. Und dann sind die Hörner los in der Fünften von Sibelius. Oramo ist zutiefst vertraut mit dem Werk seines Landsmannes und macht es nicht geschmeidiger, als es ist. Das BBC Symphony verbreitet einen herben Glanz, der in der Herbstnacht draußen weiter leuchtet.

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