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Geballte Kreativität am Strand von Usedom: das Baltic Sea Philharmonic

© Bernd Possardt

Das Baltic Sea Philharmonic zu Gast in Berlin: Ein Mittsommernachtstraum

Kristian Järvi und sein Baltic Sea Philharmonic wollen Klassik anders präsentieren als gewohnt. Bei ihrem Tourneekonzert in der Berliner Philharmonie geht das Publikum begeistert mit.

Noch passender hätten Kristian Järvi und sein Baltic Sea Philharmonic ihr Berlin-Gastspiel nicht terminieren können: In der kürzesten Nacht des Jahres feiern sie am Mittwoch die „Midnight Sun“. Das normale Saallicht ist ausgeschaltet, bunte Scheinwerfer sorgen für ein schummriges Ambiente – ungefähr so, wie man das in nordischen Sphären erleben kann, wenn es im Sommer gar nicht mehr dunkel wird.

Dirigent Kristian Järvi hat das Baltic Sea Philharmonic 2008 gegründet.

© Sunbeam Productions/Siiri Kumari

Möglich wird dieses Spiel mit der magisch-mythischen Atmosphäre, weil die jungen Musikerinnen und Musiker aus den zehn Ostsee-Anrainerstaaten alle Werke auswendig spielen und darum keine beleuchteten Notenständer benötigen. Seit der Gründung 2008 treibt Dirigent Kristian Järvi konsequent seine Idee voran, mit diesem Projektorchester Klassik sinnlicher darzubieten als gewohnt.

Pausenloser Klangstrom

Dazu gehört auch seine Playlist-Dramaturgie: Es gibt keine Konzertpause, alle Stücke gehen nahtlos ineinander über, als stilistisch sprunghafter Musik-Stream. Auf Geniales, wie die 2. Sinfonie von Sibelius und Strawinskis „Feuervogel“-Ballettmusik, folgen Melancholisch-Meditatives von Arvo Pärt, Kompositionen des Dirigenten – und auch Selbstgeschriebenes von Orchestermitgliedern.

Denn im Kern ist dieses außergewöhnliche Projekt vor allem für die Mitwirkenden. Järvi will mit ihnen Musik auf eine Weise machen, bei der wirklich jede mit jedem kommuniziert – und er will sie dazu ermutigen, ihre Kreativität voll auszuleben, sich zu komplexen musikalischen Persönlichkeiten zu entfalten.

Das Philharmonie-Publikum darf bei diesem Gemeinschaftserlebnis zunächst nur hörend teilhaben. Im Zugabenblock aber bezieht Järvi schließlich alle Anwesenden mit ein, fordert zum rhythmischen Klatschen und Füßestampfen auf, später sogar zum Mitsingen und -tanzen. Wobei er selbst am meisten Spaß hat, wie entfesselt über die Bühne wetzt, größtmöglich gestikuliert, „Wir sind alle Magier!“ ins Mikro ruft. Eine Urgewalt, halb Guru, halb Kobold.

Und es funktioniert: Der Saal gerät in kollektive Verzückung, aus dem Mittsommernachtstraum ist eine klassische Party geworden.

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