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Zur Leipziger Buchmesse Ende April 2023 werden wieder zahlreiche Manga-Neuheiten erwartet, hier ein Archivbild von 2019.

© imago images / PicturePoint

Wie japanische Comics den Buchmarkt beleben: „Manga haben sich als Teil der Lesekultur etabliert“

Comics aus Asien sind das am schnellsten wachsende Segment des deutschen Buchhandels. Mit dem Projekt „Best of Manga“ will Buch-Großhändler Libri den Markt weiter ausbauen.

Der Manga-Boom belebt den Buchhandel, und auch auf der diese Woche beginnenden Leipziger Buchmesse stehen asiatische Comics ein weiteres Mal im Fokus. Nachdem es im deutschen Buchmarkt bei Manga im vergangenen Jahr noch einmal einen Umsatzanstieg bei Mangas von knapp 25 Prozent gab, sind Comics, insbesondere Manga, inzwischen die drittgrößte Warengruppe innerhalb der Belletristik nach Erzählender Literatur und Spannung. Der Buchgroßhändler Libri will jetzt hunderte weitere Buchhandlungen mit Manga-Sortimenten ausstatten. Vertriebsleiter Bertram Pfister erklärt im Interview die Bedeutung der Initiative.

Herr Pfister, wie geht’s dem deutschen Buchhandel?
Der Buchhandel ist eine erstaunlich stabile Branche. Das hat sich insbesondere während der Pandemie gezeigt, wo der kleinere und mittlere inhabergeführte Buchhandel sogar Umsatzsteigerungen geschafft hat – und das trotz Lockdowns. Das ist vor allem auf ein sehr hohes Engagement der Buchhändler zurückzuführen. Und es ist eine kreative Branche, in der man Kundenorientierung großschreibt. Etwas stärker gelitten während der Pandemie haben die größeren Filialisten, die zum Teil komplett schließen mussten und aufgrund ihrer Struktur beispielsweise nicht auf eine persönliche Zustellung umstellen konnten. Da stellen wir aber gerade ein sehr starkes Wiederbeleben fest, die Menschen gehen wieder mehr in die Innenstädte und Einkaufszentren. Beim Absatz gab es allerdings in letzter Zeit leichte Rückgänge, die durch höhere Preise aufgefangen wurden.

Im deutschsprachigen Buchhandel stieg der Umsatz beim Manga von 38 Millionen Euro auf 106 Millionen Euro. 

Bertram Pfister

Wie wichtig ist da das Segment Manga, in dem sowohl der Umsatz als auch die verkauften Exemplare weiterhin stabil steigen?
Der internationale Blick zeigt: Das ist nicht etwa eine Mode oder ein vorübergehendes Phänomen, sondern es ist ein Bereich, der sich in 20 Jahren in vielen Ländern fest etabliert hat und ganz selbstverständlich zur Lesekultur dazugehört. Das wird sicherlich auch dauerhaft so bleiben. Und wir sehen vor allem beim inhabergeführten Buchhandel noch sehr große Chancen, diesen Bereich auszubauen. Bei großen Buchhandlungen ist Manga schon sehr präsent, aber in vielen Nachbarschaftsbuchhandlungen noch nicht.

Wie groß ist das wirtschaftliche Potenzial von Manga in Deutschland?
Beim deutschsprachigen Buchhandel gab es von 2018 bis 2022 eine Umsatzsteigerung von 38 Millionen Euro auf 106 Millionen Euro. Und wirtschaftlich ist das noch lange nicht ausgereizt. Ich denke, dass man Manga noch in vielen Hundert Buchhandlungen mehr verkaufen kann, in denen heute in der Hinsicht noch gar nichts stattfindet. Da wollen wir mit unserem neuen Projekt „Best of Manga“ ansetzen.

Was bieten Sie diesen Buchhandlungen an?
Wenn Buchhandlungen uns sagen, sie möchten ein kompetentes, interessantes und immer aktuelles Sortiment haben, möchten aber selbst die Titel nicht zusammenstellen, dann kümmern wir uns mit „Best of Manga“ um die Kuratierung dieses Sortiments. Es gibt zum einen eine Grundausstattung, und wichtige Neuerscheinungen werden automatisch geliefert. So können Manga-Fans Neuerscheinungen am Tag ihrer Veröffentlichung in ihrer Buchhandlung in ausreichender Menge finden. Die Fans wissen ja genau, wann neue Bände erscheinen, stehen dann sofort im Laden und wollen diese Bücher haben. Da ist es wichtig, dass die Regale gefüllt sind.

Auf der Leipziger Buchmesse spielt der Manga schön länger eine wichtige Rolle, hier ein Archivbild von der Manga-Comic-Con 2018.

© imago images/Val Thoermer

Die aktuellen Trends der Manga-Szene sind ja nicht immer vorhersehbar. Wie stellen Sie Ihr Best-of-Sortiment zusammen?
Wir sehen zum einen, was in den Buchhandlungen gut läuft, die bereits viele Manga verkaufen. Aber wir lassen das nicht allein den Computer entscheiden. Man muss ja auch schauen, dass bei erfolgreichen Serien wie zum Beispiel „Naruto“ nicht immer nur die bestverkauften Bände vorrätig sind, sondern auch die ersten Bände für Neueinsteiger und die jüngsten Bände für Langzeit-Fans. Und wenn man die wichtigen Neuerscheinungen im Sortiment haben will, muss man diese auch gut einschätzen können. Dazu kommt, dass wir mit der Auswahl ja nicht nur den Durchschnitts-Mangaleser beglücken wollen, sondern auch den richtigen Nerds zeigen, dass sie in der Buchhandlung Titel finden, von denen sie vielleicht schon gehört haben, die aber noch nicht weit verbreitet sind. Damit zeigt die Buchhandlung, dass sie ganz nah am Trend ist.

Dafür arbeiten Sie ja zusammen mit dem renommierten Manga-Experten Joachim Kaps, der den Verlag Altraverse leitet.
Ja, genau. Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit, denn nur wenige kennen sich in Deutschland so gut mit Mangas aus, wie Joachim Kaps. Und wir teilen dasselbe Ziel. Denn es ist ihm schon länger ein echtes Anliegen, Manga bekannter zu machen und im Buchhandel zu etablieren. Parallel zu dem Angebot der Manga-Pakete bieten wir dann auch Buchhändlerinnen und Buchhändlern Fortbildungen an. Wir haben einen Newsletter und einen Online-Schulungsbereich eingerichtet.

Wie nimmt der Buchhandel Ihr Angebot bisher an?
Wir haben immer wieder Themen, bei denen erst mal nichts passiert, wenn man die bewirbt. Hier haben nach unserer ersten Kundeninfo jedoch gleich die Telefone geklingelt und uns haben zahlreiche Mails erreicht. Das Interesse im Buchhandel ist groß, viele Händler wollten schon länger etwas tun und freuen sich über unser Angebot.

Zur Leipziger Buchmesse Ende April 2023 werden wieder zahlreiche Manga-Neuheiten erwartet.

© imago images/Hans Lucas

Was gehört denn aktuell zur Manga-Grundausstattung?
Zum einen Dauerbrenner-Serien wie „Naruto“, „One Piece“ oder „Death Note“. Die sind seit Jahren stabile Top-Seller. Das zeigt die Sogwirkung dieser Serien, bei denen es eine über Jahre gewachsene starke Bindung gibt. Dann kommen neue Serien wie „Spy X Family“ hinzu, die mit mehreren Bänden auf den vorderen Plätzen liegt.

Wie bedeutsam sind in so einem Fall Animes, also Zeichentrick-Verfilmungen dieser Stoffe, wie sie ja bei „Spy X Family“ im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde?
Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Was in anderen Medien passiert, ist oft die Triebfeder für den Erfolg von Mangaserien. Wenn man im Blick hat, was auf Streaming-Plattformen wie Crunchyroll passiert, lässt sich daraus ableiten, was dann jeweils auf den Buchhandel zukommt.

Die von Ihnen gerade genannten Manga-Erfolgstitel sind ja eher dem Shonen-Genre zuzurechnen, das sich eigentlich primär an jugendliche männliche Leser richtet. Ist der aktuelle Manga-Boom vor allem Jungs im Teenager-Alter zu verdanken, die möglicherweise auch Ihre Hauptzielgruppe ist?
Nein. Was für die Jungs gedacht ist, lesen die Mädchen auch, aber umgekehrt eher nicht. Was die Zielgruppe angeht, hat man zum einen die Leserinnen und Leser von zwölf Jahren und Plus als Einstiegsalter im Blick. Das sind die, die sich das Thema erstmal erschließen. Aber dann gibt es innerhalb der Zielgruppe auch ältere von vielleicht 14 Jahren bis Ende 20, die in dem Bereich alles kennen. Für die brauchen wir dann auch Titel jenseits der bekannten Reihen, die etwas Besonderes sind. Und inzwischen haben wir dank des seit Jahren anhaltenden Manga-Booms auch zunehmend Leserinnen und Leser in der Altersgruppe 30 Plus, die ebenfalls genau gucken, was es neu gibt und was sie anspricht. Und dann kommen über die Kinder und Enkel auch die Eltern und die Großeltern in die Buchhandlung.

Sind Manga-Leser die Buchkunden von morgen?
Wenn man sich anschaut, was junge Menschen lesen, sieht man, dass es schon heute nicht nur Manga sind. Da sind auch viele andere Bücher dabei. Viele Verlage haben inzwischen Young-Adult-Reihen aufgebaut, die gut ankommen. Was auch auffällt: Die jungen Leute lesen sehr oft originalsprachliche Literatur. Das wird durch beliebte Trends wie Book Tok befeuert, eine Buch-Community auf der Social-Media-App TikTok, in der viele junge Menschen ihre Begeisterung fürs Lesen und für Literatur teilen. Es gibt bereits ein riesiges Potenzial an jungen Menschen, die gerne lesen. Und da ist Manga einer von mehreren möglichen Zugangspunkten.

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