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In der Falle: Eine Szene aus „Zaroff“.

© Splitter

Survival-Horror-Comic „Zaroff“: Reif für die Insel

Vom Film zum Comic, vom Jäger zum Gejagten: Graf Zaroff, das „Genie des Bösen“, ist zurück. Überzeugen kann die Fortsetzung jedoch nicht.

Er ist einer der schlimmsten Bad Boys der Kinogeschichte: Graf Zaroff, das „Genie des Bösen“, wie er im deutschen Untertitel des Films heißt, der ihn 1932 berühmt machte. Von der nur ein paar Seiten langen, 1924 erschienenen Pulp Story „The Most Dangerous Game“ ausgehend, schufen die Regisseure Irving Pichel und Ernest Schoedsack einen heute noch spannenden Abenteuer- und Horrormix.

Wie „King Kong“, bei dem Schoedsack ein Jahr später erneut Co-Regie führte, spielt „The Most Dangerous Game“ auf einer tropischen Insel. Dort haust in einem draculaartigen Schloss Graf Zaroff, ein russischer Exilant, der sich durch seine fanatische Jagdleidenschaft auszeichnet.

Tiere reizen ihn schon lange nicht mehr; ihn erregt nur noch die Hatz auf Menschen. Mit falschen Signalen provoziert er Schiffbrüche, deren Überlebende dann ausgesetzt und von ihm gejagt werden. Erst in einem amerikanischen Großwildjäger findet Zaroff seinen Meister.

Der schlicht „Zaroff“ betitelte Comic (Übersetzung Harald Sachse, Splitter, 88 S., 19,80 €) ist ein Sequel des Films. Der Graf, so stellt sich heraus, ist zwar im Gesicht entstellt wie Two-Face, aber nach wie vor am Leben.

Fiona Flanagan, der tatkräftig-skrupellosen Tochter eines irischen Gangsterbosses aus Boston, glückt es, ihn aufzuspüren. Ihr Vater ist einer der Menschenjagden zum Opfer gefallen; nun hat sie Zaroffs in New York lebende Schwester samt deren drei Kindern gekidnappt, um Rache zu üben.

Klassischer Bösewicht: Eine Seite aus „Zaroff“.

© Splitter

Auf der Insel, wo der Graf seinen neuen Unterschlupf gefunden hat, gibt sie dessen Verwandten Messer zur Verteidigung und einen kleinen Vorsprung; dann setzt Fiona, von schwerbewaffneten Mob-Kumpanen unterstützt, erbarmungslos hinterher. Zaroff wird in diesem Spiel ebenfalls zum Gejagten – aber wie sich erwarten lässt, dreht er den Spieß schnell um.

Neues Leben für einen alten Schurken

Von den meisten Reboot-Titeln und Variationen von Klassikern, die sich auf dem Comic-Markt tummeln, unterscheidet sich „Zaroff“ dadurch, dass hier nicht einem Helden, sondern einem Schurken neues Leben eingehaucht werden soll.

Genau das ist aber das große Problem dieses Bands: Als Antagonist, als man you like to hate ist Zaroff prachtvoll, unvergesslich; als Protagonist und damit als Sympathieträger taugt er dagegen kaum. Dass er eine emotionale Bindung zu seiner Familie besitzen soll, mag man kaum glauben.

[Der wahre Horror der Gegenwart: Lesen Sie hier die Tagesspiegel-Rezension des Comics „Infidel“, in dem eine junge Frau in New York von Geistern und Rassismus heimgesucht wird.]

Ihm überhaupt eine Familie zuzuschreiben, ist schon eine Fehlentscheidung des Szenaristen Sylvain Runberg: Eine Figur wie der Graf muss zwangsläufig ein Solitär sein, ein irrer, narzisstischer Einzelgänger. So ist es auch völlig unglaubwürdig, dass Zaroff eingangs überlegt, dem Jagen abzuschwören und stattdessen in seine Heimat zurückzukehren, um einen konterrevolutionären Aufstand gegen Stalin anzuzetteln.

Das Titelbild des besprochenen Albums.

© Splitter

François Miville-Deschênes, dem Zeichner, gelingt die Darstellung von Menschen vor allem, wenn er sie frontal, porträthaft-statuarisch abbilden kann; das Cover von „Zaroff“ ist postertauglich. Menschen in Bewegung sind seine Sache dagegen weniger.

Die grandiosen Naturbilder, um die er sich – deutlich im Anschluss an „The Most Dangerous Game“ und „King Kong“ – bemüht, bleiben zudem recht flach und leblos.

Daran, welche Dschungelatmosphäre ein Hermann Huppen oder Burne Hogarth aufs Papier zu zaubern vermögen, will man bei der Lektüre nicht denken – und muss es doch dauernd.

Am Schluss bleibt daher der Eindruck: Im Pantheon der Filmschurken ist Zaroff gut aufgehoben; es wäre wohl besser gewesen, ihn dort in Ruhe zu lassen.

Christoph Haas

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