zum Hauptinhalt
Kindskopf. Eine Szene aus „Papa macht alles falsch“.

© Reprodukt

Vater-Sohn-Comic ohne Worte: Radikaler Rollentausch

Mawils neues Kinderbuch seziert die Rituale des Familienlebens. Beim Comic-Salon Erlangen wird der Berliner Zeichner jetzt mit einer Ausstellung geehrt.

Er baut lieber Papierflieger, als im Büro in die Tasten zu hauen. Streckt anderen Eltern die Zunge raus, während sich der Sohn im Buggy fremdschämt. Prügelt sich mit einem anderen Vater um die Sitzhoheit auf dem Schaukeltier. Der Anarcho-Papa in „Papa macht alles falsch“ (Reprodukt, 32 S., 10 €, Lesealter: 3+), dem dritten Kinderbuch des erfolgreichen Comiczeichners Markus Witzel alias Mawil („Kinderland“, „Lucky Luke sattelt um“) ist das krasse Gegenteil eines pädagogisch korrekten und emotional ausgeglichenen Vaters.

Das Titelbild von „Papa macht alles falsch“.

© Reprodukt

Mawil hat sich einen wahnwitzigen Rollentausch ausgedacht und schreddert dabei lustvoll Konstanten des Familienalltags. Wir erleben einen erwachsenen Mann, der arbeitet, den Sohn zur Kita bringt und abends vorliest, doch sein Wesen steckt noch tief im besten Trotzalter. Ein Plädoyer für das Kind im Manne? Eine kühne Replik auf das hartnäckige Vorurteil, nur Mütter wüssten, was für ein Kind gut ist?

Interpretatorisch tiefgründeln ist nett, macht aber nur halb so viel Spaß wie sich einfach dem Genuss jedes einzelnen seitenfüllenden Bildes rückhaltlos hinzugeben. Darin torpediert der Vater wirklich jeden Versuch seines fürsorglichen Sohnes, die beiden geschmeidig durch den Tag zu navigieren.

Dazu: kein Wort. Nirgends. Sprechblasen oder andere Texte gibt es nicht – sie sind auch nicht nötig. In actiongeladenen Szenen hetzen, taumeln, stolpern, fallen und platschen die Helden dank Mawils dynamischem, gewohnt krakeligem Strich durch eine knallbunte Farbenwelt mit liebevoll ausgestalteten Details.

Die Rituale des Familienlebens – wie gemeinsames Essen am Tisch, Baden oder Schlafengehen – leuchtet er mit sezierendem Blick bis in die absurdesten Winkel aus. Seine Bilder mit ihrem plastischen Tiefeneffekt saugen einen dabei förmlich in die Szenerie hinein: Der Papa beim Sturz in die Baugrube, beim rempelnden Spurt auf der Rolltreppe, auf Tauchkurs im Bällebad.

Mawil auf dem Plakat zu seiner Werkschau, die jetzt in Erlangen zu sehen ist.

© Reprodukt

Der Spaßfaktor für kleine Leser ist garantiert groß, denn sie können den komisch-chaotischen Kosmos von Vater und Sohn auch ohne Vorleser:in genießen. Auch Eltern kommen auf ihre Kosten. Wer hat nicht schon davon geträumt, sich mal für all die Ausraster und Zickereien der Kleinen gänzlich unreif zu rächen?

[Mawils Werk wird auf dem 20. Internationalen Comic-Salon (16.-19.6.) mit einer Ausstellung und zahlreichen Veranstaltungen gewürdigt, bei denen man den Zeichner live erleben kann.]

Das Anarchische, Rebellische von Mawils Comic hat er mit zwei anderen bekannten Vater-Kind-Geschichten gemeinsam. Auch e.o. plauens Titelhelden im Comic-Klassiker „Vater und Sohn“ bleiben wortwörtlich sprachlos, verweigern sich einer konformistischen Welt und trotzen Regeln und Autoritäten.

Lustvoll Tabus brechend hangelt sich auch der Papa in Guy Delisles Anti-Ratgebern „für schlechte Väter“ daddelnd und Süßes futternd durch den Alltag. Ob die Zeichner eigene Erfahrungen als Eltern einfließen ließen? Ohne Frage sind den dreien jedoch beeindruckende Vaterfiguren, zeitlose und lebensechte Charakterköpfe mit all ihren Widersprüchen gelungen.

Heike Byn

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false